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Eine Sünde zuviel

Eine Sünde zuviel

Titel: Eine Sünde zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bewußt.
    Für ihn war das Wichtigste das Wissen, daß er Zeit gewonnen hatte. Kostbare Zeit, in der viel geschehen sollte, in der man jede Stunde ausnutzen mußte. Er spürte, daß er aus dem Stadium des Improvisierens herausgekommen war … sein Leben entwickelte sich wie eine mathematische Formel, in der immer wieder neue Unbekannte auftauchten. Alles wurde nun auch eine reine Nervensache … Ernst Dahlmann fühlte sich stark genug, die stärkeren Nerven zu haben.
    Er schloß hinter sich die dicke Bohlentür der Waldhütte ab und rappelte an der Klinke. Es war ein solides, dickes Sicherheitsschloß.
    Dieser Geruch in der Hütte, dachte er noch beim Wegfahren. Muffig-süß, schimmelig-herb … wie auf einem Friedhof im Sommer, wenn die Sonne auf die Gräber brennt und die Erde atmet.
    Ein verrückter Gedanke, aber er ließ ihn nicht mehr los.
    *
    Fräulein Pleschke saß mit dick verquollenen Augen wie ein verängstigter Hase im Wohnzimmer und zerrte an einem feuchten Taschentuch. Als Ernst Dahlmann hereinkam, weinte sie wieder los und drückte das Taschentuch gegen ihr Gesicht.
    »Was haben Sie denn, Erna?« fragte Dahlmann und legte die Autoschlüssel aufs Büfett.
    Statt einer Antwort begann Fräulein Pleschke laut zu schluchzen.
    Dahlmann stand unschlüssig im Zimmer und sah auf das weinende Mädchen. Luise war nicht zu sehen, er hörte sie auch nicht in der Küche. »Was ist denn nun?« fragte er ärgerlich. »Hat Ihr Student Sie versetzt? Bekommen Sie ein Kind?«
    Fräulein Pleschke sah trotz der Tränen äußerst beleidigt auf.
    »Ich … ich verbitte mir das, Herr Dahlmann …«, weinte sie. »Ihre … Ihre …« Die Stimme versank in haltlosem Schluchzen. Dahlmann fuhr sich mit dem Zeigefinger zwischen Kragen und Hals. Er hatte auf dem Rückweg ein neues Hemd gekauft und das alte, blutige weggeworfen. Auf die Kratzwunden im Nacken hatte er Puder gestreut. Sie brannten noch, aber sie wurden vom Kragen verdeckt.
    »Nun beherrschen Sie sich endlich und sprechen Sie deutlich! Was ist passiert?«
    Fräulein Pleschke holte tief Atem. Dann schrie sie fast:
    »Ihre Frau ist weg!«
    Dahlmann legte den Kopf auf die Seite. Er begriff im ersten Moment nicht, was er da hörte. »Was ist?« fragte er deshalb zurück.
    »Sie ist weg –«
    »Was heißt – weg?«
    »Ihre Frau ist verschwunden!«
    »Reden Sie doch keinen Quatsch!« Dahlmann wurde es plötzlich heiß. »Sie waren doch mit meiner Frau in Herrenhausen. Wo ist sie denn jetzt?«
    »Das weiß ich …«
    »Aber Sie sind doch dazu da, auf sie aufzupassen!« brüllte Dahlmann. Plötzlich erkannte er die ganze Tragweite, auch wenn es schwer war, es zu begreifen. Luise weg; … das war absurd. Das war einfach undenkbar!
    Fräulein Pleschke zuckte zusammen und nickte. »Ich habe keine Schuld, Herr Dahlmann …«, stammelte sie. »Ihre Frau hatte mir freigegeben, nachdem ich sie im Schloßcafé abgesetzt hatte. Sie saß auf der Terrasse, unter einem Sonnenschirm. Als ich zurückkam, war sie nicht mehr da. Keiner wußte, wohin sie gegangen war …«
    »Das ist doch Blödsinn!« Dahlmann rannte nervös im Zimmer hin und her. »Meine Frau kann doch nie allein gegangen sein. Sie war doch auf Ihre Hilfe angewiesen …«
    »Das ist es ja.« Erna Pleschke weinte von neuem. »Die Kellnerinnen sagten, daß sie mit einem Herrn gegangen ist.«
    »Mit einem Herrn?!« Dahlmann blieb wie angenagelt stehen.
    »Ja. Der Herr war schon öfter im Schloßcafé. Die Mädchen kannten ihn, aber nur vom Sehen. Nicht seinen Namen. Man fragt ja keinen Gast, wie er heißt …«
    »Weiter, weiter …«
    »Mit diesem Herrn ist Ihre Frau weggegangen. Sie hat nichts hinterlassen. Mein Gott –« Erna Pleschke drückte wieder das tränennasse Taschentuch an die Augen. »Man hat sie entführt –«
    Ernst Dahlmann betrachtete diese Bemerkung als gar nicht so abwegig. Er rannte zum Telefon und rief Dr. Kutscher an. Nach einigen Wartesekunden meldete sich der Anwalt … er wollte gerade zu einem Klienten.
    »Was ist?« fragte Dr. Kutscher unhöflich, ohne Anrede.
    »Meine Frau ist weg!« schrie Dahlmann aufgebracht.
    »Schöner Trick! Dahlmann, zaubern Sie sie wieder heran, oder es geht drunter und drüber.«
    »Doktor, ich flehe Sie an … sie ist wirklich weg. Fräulein Pleschke, die Betreuerin, kann Ihnen den Vorfall schildern. Ein uns unbekannter Mann hat sie vom Schloßcafé Herrenhausen mitgenommen.«
    »Einer von Ihren Privatkillern?«
    »Doktor, lassen Sie die dummen Witze! Ich mache mir Sorgen!

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