Eine Sündige Nacht
verausgabt haben. Oder war ich nur das Vorprogramm zum Aufwärmen für das große Finale?«
Er erweiterte ihr Vokabular um einige Schimpfwörter, bevor er die Autotür aufriss und sie hinter sich wieder zuwarf. Erst dann bemerkte Caroline, dass Mrs. Haney und Laura Jane bereits am Krankenhauseingang auf sie warteten und sie erwartungsvoll ansahen. Caroline ballte ihre eiskalten Händen zusammen, zwang sich aber, sie zu entspannen, als Rink ihr die Tür öffnete und ihr aus dem Wagen half. Die kleine Gruppe lief durch die Eingangshalle auf den Fahrstuhl zu, und sie hatte ihre Gefühle hinter eine Maske der Gelassenheit versteckt.
Die Krankenschwester, die sie auf Roscoes Flur begrüßte, erlaubte ihnen, zusammen in sein Zimmer zu gehen, wenn sie nicht zu lange blieben.
»Er hatte eine anstrengende Nacht und musste starke Schmerzen aushalten«, teilte sie ihnen traurig mit.
»Vielleicht wäre es besser, wenn ich erst einmal allein hineinginge, um ihm zu sagen, dass du hier bist«, sagte Caroline. Niemand widersprach. Rink wirkte steif und unnahbar. Mrs. Haney war sehr kleinlaut, was sonst gar nicht ihrem Naturell entsprach. Laura Janes große Augen waren noch größer geworden, und sie wirkte, als ob sie kurz davor stand zu fliehen.
Caroline drückte die schwere Krankenzimmertür auf und ging in die größte und teuerste Privatsuite, die das Krankenhaus zu bieten hatte. Blumensträuße und Gestecke säumten bereits das Fensterbrett und den Fernsehtisch. Sie fand es zwar schrecklich, sich das einzugestehen, aber leider hatte sich Roscoe in seinem Leben nur wenige Freunde machen können. Aber viele Menschen verehrten oder fürchteten ihn, wie die üppige Menge an Karten und Blumengrüßen bewies.
Gerade jetzt, als er die Augen öffnete und sie ansah, wirkte er nicht besonders einschüchternd. Seine Haut war teigig und bereits vom gräulich-gelben Farbton des Todes durchzogen. Dunkle Schatten lagen unter seinen Augen. Seine Lippen schimmerten bläulich, aber seine Augen glänzten so dunkel und lebendig wie immer.
»Guten Morgen.« Sie beugte sich über ihn, nahm seine Hand und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. »Die Krankenschwester hat mir gesagt, dass du eine schlimme Nacht hattest. Hast du dich ein wenig ausgeruht?«
»Sei bitte nicht so herablassend, Caroline.« Er schüttelte ihre Hand ab. »Mir steht die ganze gottverdammte Ewigkeit zum Ausruhen zur Verfügung.« Er lachte keuchend. »Oder zum Brennen, wie sicherlich einige hoffen. Hast du die Löhne fertig?«
»Ja«, sagte sie und nahm die Ablehnung ihrer Zuneigung pragmatisch hin. Er war ernsthaft krank. Ihm stand einiges an Widerspenstigkeit zu. »Heute Morgen. Ich bringe die Schecks am Nachmittag zur Baumwollfabrik.«
»Gut. Nicht, dass die meinen, ich wäre schon tot.« Er legte eine Hand auf seinen Bauch, krümmte sich vor Schmerzen und stieß einen fürchterlichen Fluch aus.
Als er sich wieder entspannt hatte, sagte Caroline leise: »Bist du in der Stimmung für Besuch?«
»Wer ist denn da?«
»Laura Jane und Mrs. Haney.«
»Mrs. Haney! Diese scheinheilige Kuh. Sie hasst mich, seit sie mich zum ersten Mal gesehen hat. Sie dachte, ich würde Marlena wegen ihres Geldes und wegen The Retreat heiraten. Hat mir die Schuld daran gegeben, dass Rink abgehauen ist. Hat mir die Schuld an allem gegeben, was in dieser Familie schiefgelaufen ist.«
Caroline spielte den Advocatus Diaboli. »Warum hast du sie nicht schon vor Jahren entlassen?«
Er kicherte. »Weil es mir Spaß gemacht hat, mit ihr die Klingen zu kreuzen. Hat meinen Verstand wach gehalten. Und jetzt kommt sie, um an meinem Sterbebett zu schluchzen. Ha!«
Caroline hatte ihn schon öfter in solch einer Stimmung erlebt, aber sie jedes Mal ignoriert und abgewartet, bis sie vorüberging. Es tat ihr leid, dass er sich während ihrer letzten gemeinsamen Tage so verhielt. »Bitte, Roscoe. Sei nicht wütend. Mrs. Haney hat frische Rosen aus dem Garten für dich dabei.«
Er knurrte, dass er einverstanden sei, die Haushälterin zu sehen. »Laura Jane soll nicht hierherkommen. Dieses Zimmer würde sie völlig verängstigen. Weiß sie, dass ich nicht wieder nach Hause komme?«
Caroline vermied den Kontakt mit seinem rasiermesserscharfen Blick. »Ja. Ich habe es ihr gestern gesagt.«
»Was hat sie gesagt?«
»Sie sagte, du würdest in den Himmel kommen und mit Marlena zusammen sein.«
Er lachte, bis ihn eine Schmerzattacke zusammenzucken ließ. »Na ja, für solche Gedanken muss man schon ein
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