Eine süße Versuchung für Marcy
mir auch schon aufgefallen.“
Obwohl sie sich bemühte, nicht zu sarkastisch zu klingen, war Annie der Unterton nicht entgangen.
„Männer wie Eric laufen einem nicht oft über den Weg“, sagte sie. „Mein verstorbener Mann war in mancher Hinsicht ziemlich leichtsinnig. Das hat das Leben mit ihm einerseits sehr angenehm gemacht, aber es gab auch eine Menge Probleme. Probleme, mit denen ich mich jetzt noch herumschlagen muss. Eric scheint da viel verantwortungsbewusster zu sein.“
„Das sehe ich genauso. Jedenfalls haben Sie einen sicheren Beruf und können selbst für sich und Ihre Tochter sorgen.“
„Ich würde gern so lange zu Hause bleiben, bis Lucy in die Schule geht. Eric meint, das sei richtig. Er ist sehr dafür, dass Mütter zu Hause bleiben. Obwohl ich mir das finanziell gar nicht leisten kann.“
Dass sie Erics Worte zitierte, gefiel Marcy überhaupt nicht. „Meine Mutter hat sich auch nur ums Haus gekümmert. Also, viel Spaß beim Kuchenbacken.“ Die letzten Worte richtete sie an Lucy – aber sie waren auch ein unmissverständlicher Hinweis für Annie zu verschwinden.
„Vielen Dank.“ Annie hatte verstanden.
Marcy schloss die Tür hinter den beiden und dachte über das Gespräch nach. Annie hatte recht: Männern wie Eric begegnete man nicht oft. Wenn er eine Verpflichtung einging, dann hielt er sich auch daran, komme, was da wolle. Davon war sie überzeugt.
Aber Annies Bemerkung über Erics Vorliebe für Mütter, die zu Hause blieben, war ein weiterer Hinweis darauf, wie weit ihre Ansichten über das Zusammenleben auseinandergingen. Natürlich hatte Marcy nichts dagegen, wenn Mütter sich ausschließlich um ihre Kinder kümmerten, doch sie war auch davon überzeugt, einen eigenen Beruf haben zu müssen.
Man konnte ja nie wissen, was das Leben für einen bereithielt. Und Lebensumstände änderten sich nun mal. Lori war ein gutes Beispiel dafür. Auch Shana hatte ihr gezeigt, wie wichtig es war, auf eigenen Füßen stehen zu können. Selbst Marcys Mutter hatte ihre Tochter gedrängt, das College zu besuchen und einen Beruf zu erlernen.
Während ihr diese Gedanken durch den Kopf schwirrten, ging sie in die Waschküche, weil sie alles erledigt haben wollte, wenn sie am nächsten Tag ging. Beim Sortieren der Wäsche traten ihr plötzlich Tränen in die Augen.
„Das ist bescheuert“, schimpfte sie mit sich. Dylan und Eric waren nicht ihre Familie. Sie verließ sie nicht, sondern erledigte nur einen Job, für den sie bezahlt wurde.
Sie lehnte sich gegen die Waschmaschine. Wem machte sie etwas vor? Eric und Dylan waren längst mehr als nur ein Job für sie. Den Jungen hatte sie vom ersten Augenblick an gemocht, als er mit seinem Rad in den Garten gefahren war und nach Arbeit gefragt hatte.
Und was Eric anging – sie mochten unterschiedliche Ansichten vom Leben haben, doch sie respektierte ihn. Der Gedanke, sich von ihm zu trennen, schmerzte. Wie würde ihr erst zumute sein, ihn verlassen zu müssen, wenn sie Sex miteinander gehabt hatten?
Eigentlich stand ihre Entscheidung schon fest. Vernünftig, wie sie war, zweifelte sie nicht im Geringsten daran. Eric würde sie bestimmt respektieren.
Sie musste sie ihm nur noch mitteilen.
„Sollen wir beim Verkehrsamt vorbeifahren?“, fragte Eric, als er mit Dylan den Parkplatz vor dem College verließ.
Der Junge überlegte eine Weile. „Marcy wollte es doch mit mir machen.“
„Ich weiß, aber wenn du meine Adresse benutzen willst, muss ich mit dir gehen.“
Überrascht sah Dylan ihn an. „Ich kann Ihre Adresse benutzen?“
„Wenn du unter meinem Dach wohnst, wäre das doch das Vernünftigste.“
Dylan überlegte kurz. „Danke.“
Wenig später hielt Eric vor dem Verkehrsamt.
„Danke“, wiederholte Dylan. „Und dafür, dass Sie mich heute mitgenommen haben. War echt cool, Ihnen beim Unterrichten zuzusehen. Da sind Sie ganz anders als zu Hause. Fast so, als würden Sie eine Show abziehen. Sie sind nicht Eric. Sondern Professor Sheridan.“
„Man muss sich auf seine Zuhörer einstellen. Das ist eines der wichtigsten Dinge bei diesem Job.“
„Tun Sie da nur so, als ob?“
„Keineswegs. Man passt sich an die Situation an. Du kannst flexibel sein und trotzdem du selbst bleiben.“
Dylan starrte durch die Windschutzscheibe. „Mein Vater war unflexibel.“
„War?“
„Ist. Er ist unflexibel.“
„Das habe ich von meinem Vater auch gedacht. Erst viel später bin ich darauf gekommen, dass er nicht unflexibel war,
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