Eine süße Versuchung für Marcy
sondern konsequent. Manchmal zu konsequent. Ich habe nie gelernt, Kompromisse zu machen, weil er es mir nicht gezeigt hat.“
„Dafür sind Sie aber ganz okay.“
Eric grinste. „Danke. Hat mich eine Menge Versuche gekostet. Meine Geschwister haben mir allerdings auch dabei geholfen. Sie haben dafür gesorgt, dass ich nicht zu väterlich wurde, wie sie es genannt haben. Oder meinetwegen auch mütterlich.“
„Wie war sie?“
„Meine Mutter? Sehr organisiert und zielstrebig. Sie war Rechtsanwältin. Verteidigerin. Etwas flexibler als mein Vater, aber nicht sehr viel.“
„Meine Mutter hat nie gearbeitet. Und sie war ziemlich nachgiebig.“
„War?“
Dylan schluckte. „Ja.“
Eric legte die Hand auf seine Schulter. Jetzt hatten sie etwas gemeinsam.
Zwei Mädchen liefen lachend am Auto vorbei. Dylan straffte die Schultern und sah sich um. „Wir sollten los. Marcy wird sich schon fragen, wo wir bleiben.“
„Du weißt, dass sie morgen geht?“
„Ich weiß, dass sie irgendwo ein Haus hüten soll. Klingt cool. Sie hat mir erzählt, dass sie auf alle möglichen Häuser und Wohnungen und sogar Wohnwagen aufpasst. Viele Leute haben Haustiere. Das gefällt ihr besonders. Weil sie so viel umzieht, kann sie kein eigenes Tier haben.“
Offenbar unterhielten Marcy und Dylan sich über andere Themen als Eric und der Teenager.
Eric wusste davon überhaupt nichts. Er öffnete die Tür und stieg aus. „Sie ist ein interessanter Mensch. Ziemlich unabhängig.“
Dylan musterte ihn aus den Augenwinkeln. „Das gefällt Ihnen, nicht wahr? Trotzdem geraten Sie manchmal heftig aneinander.“
„Ich bin es nicht gewohnt, dass meine Angestellten mir widersprechen.“
Dylan lachte. „Das klingt für mich jetzt aber ziemlich unflexibel. Sind Sie sicher, dass Sie sich geändert haben?“
Eric wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Ja, er hatte sich verändert. Da brauchte man nur seine Geschwister zu fragen.
Aber hatte er sich genug verändert?
Als er neben Dylan am Schalter stand, erfuhr er dessen wahren Familiennamen – Vargas – und seine letzte Anschrift. Da er sich in Sacramento nicht auskannte, hatte er keine Ahnung, wo das war.
Die Gebühr für den Ersatzführerschein ließ er Dylan selbst bezahlen. Natürlich hätte er ihm den Betrag geben können, aber Dylan würde niemals lernen, Verantwortung zu übernehmen, wenn Eric es ihm zu einfach machte. Dylan hatte schließlich seinen Lohn bekommen. Er konnte selbst bezahlen.
Dylan steckte den Führerschein in einen Brustbeutel. Er wirkte fröhlich, fast ausgelassen. Eric hatte vollstes Verständnis dafür. Ein Führerschein bedeutete ein Stück Unabhängigkeit – vorausgesetzt, man besaß einen Wagen.
Kaum hatte Eric den Motor abgestellt, stürzte Dylan schon aus dem Wagen und rief Marcys Namen. Für einen Teenager benimmt er sich ziemlich uncool, dachte Eric belustigt.
„Hast du schon mit dem Abendessen angefangen?“, fragte Eric sie.
„Noch nicht.“
„Ich denke, wir drei sollten auswärts essen gehen.“
„Warum?“
„Es ist dein letzter Abend. Das sollten wir feiern.“
„Feiern? Hört sich ja so an, als wärst du froh, dass ich gehe.“
„Unsinn. Du weißt schon, wie ich es meine. Ich lade dich ein, um mich für deine Arbeit zu bedanken. Außerdem können wir uns besser unterhalten, wenn wir am Tisch sitzen und uns auf das Essen konzentrieren können, ohne es vorbereiten zu müssen.“
„Wir reden doch die ganze Zeit.“
Dylan verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich glaube, ich weiß, was er will. Ich habe ihm ein bisschen über meine Vergangenheit erzählt, und jetzt möchte er noch mehr erfahren. Er glaubt wohl, wenn wir in der Öffentlichkeit sind, bin ich freundlich und nett und erzähle ihm auch noch den Rest.“ Und mit einem Seitenblick auf Eric fügte er feixend hinzu: „Der Mann ist ganz schön gerissen.“
Eric musste innerlich grinsen. Dylan hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Aber er hätte sich eher die Zunge abgebissen, als es zuzugeben. „Wie kommst du denn darauf?“
„Sie sind leicht zu durchschauen. Nur Marcy ist leichter durchschaubar.“
„Moment mal“, protestierte Marcy. „Was habe ich denn damit zu tun?“
„Na ja, du stellst mir keine Fragen, weil du hoffst, dass ich von mir aus alles erzähle …“
„Vielleicht stelle ich dir keine Fragen, weil du sie ohnehin nicht beantwortest.“
Dylans Miene verdüsterte sich. „Vielleicht gibt es einen Grund
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