Eine süße Versuchung für Marcy
Mommy kennenzulernen, Lucy.“
„Ich bin froh, dass das Haus endlich wieder bewohnt ist.“ Sie warf einen Blick hinüber. Ihr eigenes Haus sah ebenso viktorianisch aus wie Erics.
„Das glaube ich gern. Sagen Sie, haben Sie meinen Abfall auf die Straße gestellt? Als ich heute Morgen aufgewacht bin, war alles schon weggeräumt.“
„Nein. Aber die Nachbarn sind sehr hilfsbereit. Wahrscheinlich werden Sie noch herausbekommen, wer es getan hat. Tut mir leid, aber wir müssen zum Babyschwimmen. Vielleicht können wir ja später noch ein bisschen reden.“
In Marcys Kopf begann es zu arbeiten. Annie war möglicherweise etwas zu jung, aber durchaus eine mögliche Kandidatin für Eric. Marcy nahm sich vor, mehr über sie herauszufinden. Natürlich konnte die enge Nachbarschaft zum Problem werden, vor allem, wenn die Beziehung in die Brüche gehen sollte.
Als sie zurück in die Küche kam, blieb sie wie vom Donner gerührt stehen. Jetzt erst fiel ihr auf, dass das Geschirr weggeräumt war. Es war zwar nicht viel gewesen, aber die Küchentheke war sauber.
Das bedeutete, dass jemand in der Nacht im Haus gewesen war, während sie geschlafen hatte.
Es klingelte. Vor der Tür standen die Fensterputzer. Sie würden vier Stunden im Haus sein – genau wie die Maler, die zwei Räume im oberen Stockwerk zu Ende streichen mussten. Sie war froh über die Ablenkung. Der Möbelspediteur hatte die Ankunft des Wagens für zehn Uhr angekündigt. Daraufhin hatte Marcy den Dekorateur angerufen.
Alles musste fertig sein, wenn sie zu ihrem anderen Job ging. Sie kellnerte am Wochenende. Selbst die Tatsache, dass sie vermutlich die halbe Nacht auf den Beinen sein würde, erschien ihr nach dieser Woche wie Urlaub.
Ein paar Stunden später machte einer der Fensterputzer Marcy auf ein aufgehebeltes Fenster im Wohnzimmer aufmerksam. Das war ihr noch gar nicht aufgefallen. Auf den ersten Blick sah es so aus, als sei es geschlossen, aber man konnte es ohne Weiteres von draußen aufstoßen.
Noch ein Punkt auf ihrer Auftragsliste. Und ein Grund mehr zur Sorge vor ihrer letzten Nacht.
Sie suchte den Wohnzimmerboden nach Einbruchsspuren ab. Da sie den Garten jeden Tag gegossen hatte, war die Erde vor dem Fenster feucht. Jeder, der durch das Fenster gekommen wäre, hätte Schlamm an den Schuhen gehabt. Sie entdeckte jedoch keinen Schmutz.
Auf einmal hatte sie Angst, nach ihrer Arbeit in der Dunkelheit hierher zurückzukommen. Es wäre weit nach Mitternacht, das Haus einsam und leer, und ein Einbruch wäre ein Kinderspiel. Offenbar hatte es ja schon jemand getan. Ob Eric sauer auf sie wäre, wenn sie die Nacht woanders verbrächte?
Vor allem, da seine Sachen bereits im Haus standen.
Na gut. Dann würde sie eben wach bleiben müssen. Immerhin hatte sie ein Handy und eine Dose Pfefferspray.
Sie konnte mit jeder Situation fertig werden.
Auf seiner Fahrt quer durch Amerika hatte Eric sein Navi zu schätzen gelernt. Es verriet ihm nicht nur, wo er war und wo er hinfahren musste, sondern führte ihn auch zu Hotels, Tankstellen und Restaurants.
Außerdem wusste er genau, wie lange er noch zu fahren hatte. Was ihn an diesem Abend vor eine schwierige Entscheidung stellte. Es war zehn Uhr. Noch drei Stunden bis zu seinem endgültigen Ziel: Davis, Kalifornien. Fast den ganzen Tag über hatte er hinterm Steuer gesessen. Normalerweise lag er um diese Zeit längst in einem Hotelbett.
Nur noch drei Stunden. Du könntest in deinem eigenen Bett schlafen.
Aber würde er wach bleiben können? War das Ergebnis die Anstrengungen wert?
Ja. Er wäre zu Hause. Wahrscheinlich würde er in einem Hotel sowieso nicht zur Ruhe kommen.
Er wählte Marcys Handynummer, bekam aber nur ihre Mailbox. Vielleicht war sie schon zu Bett gegangen. Schließlich hatte sie einen anstrengenden Tag gehabt.
„Marcy, ich bin’s, Eric. Ich wollte Sie nur warnen, dass ich heute Nacht gegen ein Uhr eintreffe. Rufen Sie mich bitte zurück, wenn Sie diese Nachricht hören. Danke.“
Knapp drei Stunden später bog Eric in seine Auffahrt ein und parkte vor der Garage, in der, wie er vermutete, Marcys Wagen stand. Im Haus brannte kein Licht. Sie hatte sich nicht bei ihm gemeldet. Wahrscheinlich schlief sie längst.
Da er sie nicht erschrecken wollte, ging er leise zur Tür, den Schlüssel in der Hand. Vorsichtshalber schaute er noch einmal auf sein Handy; vielleicht hatte sie ihn ja angerufen, und er hatte es nicht gehört. Doch es waren keine Nachrichten eingegangen.
Sollte er sie
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