Eine Tiefe Am Himmel
nun ja, Belga Untersiedel war nicht die Einzige, die Schwierigkeiten mit der großartigen neuen Zeit hatte.
Viktoria Schmid ließ sich neben ihrem alten Feldwebel nieder. »Aber sie hat uns den Rücken freigehalten. Gibt es Neues von Rachner?«
»Er ist drüben im Einklang-Sicherheitsraum.« In Wahrheit hatte sich der junge Major Unnerbei nicht anvertraut.
»Er ist sich also sicher, dass das eine Operation der Sinnesgleichen ist. Ich weiß nicht. Sie haben ihre Finger drin… aber wissen Sie, dass der Museumsangestellte ein Trad ist? Und die Kupp, die den Zulieferbereich des Museums betreut, ist verschwunden. Belga hat festgestellt, dass sie auch eine Trad ist. Ich glaube, die hiesigen Trads stecken da bis zu den Schultern drin.« Ihre Stimme war sanft, fast nachdenklich. Später, viel später, sollte sich Hrunkner erinnern: Die Stimme der Generalin war sanft, aber sie saß da, jedes Glied angespannt.
Leider war Hrunkner Unnerbei in seiner eigenen Welt gefangen. Die ganze Nacht über hatte er die Berichte verfolgt und in die windige Dunkelheit hinausgestarrt. Die ganze Nacht hindurch hatte er zu den kältesten Tiefen der Erde gebetet, für Klein Viktoria, Gokna, Brent und Jirlib. Er sagte betrübt, fast zu sich selbst: »Ich habe gesehen, wie sie zu richtigen Leuten herangewachsen sind, Kupplis, die jeder gern haben konnte. Doch, sie haben Seelen.«
»Was meinen Sie?« Die Schärfe in Viktorias Stimme drang nicht durch seine Erschöpfung. Er hatte später jahrelang Zeit, an dieses Gespräch zurückzudenken, an diesen einen Augenblick, sich Wege auszumalen, wie er die Katastrophe hätte verhindern können. Doch die Gegenwart spürte nicht den verzweifelten Blick der Zukunft, und er redete weiter drauflos: »Es ist nicht ihre Schuld, dass sie zur Unzeit zur Welt gebracht wurden.«
»Es ist nicht ihre Schuld, dass meine schlüpfrigen modernen Ideale sie das Leben gekostet haben?« Schmids Stimme war ein schneidendes Zischen, etwas, das nicht einmal Sorge und Erschöpfung von Unnerbeis Aufmerksamkeit abschirmen konnten. Er sah, dass seine Generalin zitterte.
»Nein, ich…« Aber es war endgültig, unwiederbringlich zu spät.
Schmid war aufgesprungen. Sie ließ einen einzelnen langen Arm wie eine Peitsche über seinen Kopf schießen. »Hinaus!«
Unnerbei stolperte zurück. Sein rechtes Seiten-Gesichtsfeld war ein funkelnder Strahl kunterfarbenen Schmerzes. In allen anderen Richtungen sah er Offiziere und Mannschaften mit dem Ausdruck schockierter Überraschung.
Schmid kam auf ihn zu. »Trad! Verräter!« Ihre Hände stießen bei jedem Wort vor, kaum, dass sie tödliche Schläge zurückhielt. »Jahrelang haben Sie sich als Freund verstellt, aber immer auf uns herabgesehen und uns gehasst. Genug!« Sie blieb stehen und brachte ihre Arme wieder an die Seiten. Und Hrunkner wusste, dass sie ihre Wut im Zaum hatte, und was sie jetzt sagte, war kalt und ruhig und überlegt… und es schmerzte noch mehr als die Wunde quer über seine Augen. »Nehmen Sie Ihr moralisches Gepäck und gehen Sie! Jetzt!«
Diesen Anblick hatte er schon einmal gesehen, im Großen Krieg, als sie mit dem Rücken zur Wand gestanden hatten und sie trotzdem nicht aufgegeben hatte. Es würde keine Diskussion geben, kein Nachgeben. Unnerbei senkte den Kopf, würgte an Worten, die zu sagen ihn verzweifelt verlangte. Es tut mir Leid. Ich wollte nichts Böses. Ich liebe Ihre Kinder. Doch es war zu spät, als dass Worte noch etwas hätten ändern können. Hrunkner wandte sich um, ging rasch an dem schockiert schweigenden Personal vorbei und zur Tür hinaus.
Als Rachner Thrakt hörte, dass Schmid wieder im Hause war, verfügte er sich in den vereinten Befehlsstand. Dort hätte er die ganze Nacht über sein müssen, nur: Ich will verdammt sein, wenn ich meine Codes dem Inlandsdienst und der Polizei offenlege. Der getrennte Betrieb hatte funktioniert, Gott sei Dank. Er hatte gewichtige Nachrichten für die Chefin.
Er begegnete Hrunkner Unnerbei, der in die Gegenrichtung ging. Der alte Feldwebel hatte seine übliche straffe Haltung verloren. Er ging ungleichmäßig den Korridor entlang, und eine lange, milchige Schramme überzog die rechte Seite seines Kopfes.
Er winkte dem Feldwebel zu. »Alles in Ordnung mit Ihnen?« Doch Unnerbei ging an ihm vorüber und ignorierte Rachner, wie ein geköpfter Osprech vielleicht den Bauern ignoriert. Fast hätte er kehrtgemacht, um dem Kupp zu folgen, doch ihm fiel seine eigene dringende Angelegenheit ein, und er
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