Eine Tiefe Am Himmel
Dann lassen Sie uns weiterreden.«
Erstaunlich. Nau hatte nicht vorgehabt, derart unverblümt zu sprechen, aber die hervorgerufenen Wirkungen waren so interessant. Sie wechselten noch ein paar bedeutungslose Sätze, und die Besprechung war vorüber. Rot schimmerte rings um Vinhs Hände, Symptome eines unsichtbaren Zitterns, als er sich zur Tür bewegte.
Nau saß noch einen Moment still da, nachdem der Krämer fort war. Er starrte ins Leere, doch in Wahrheit las er in seiner Datenbrille. Der Bericht der Schnüffler war ein Strom farbiger Zeichen vor einer Landschaft von Diamant Eins. Er würde den Bericht sorgfältig lesen… später. Zuerst waren da seine eigenen Gedanken zu ordnen. Die Orter-Diagnostik war fast Zauberei. Ohne sie, wusste er, hätte er Vinhs Erregung kaum bemerkt. Vor allem wäre ich ohne die Diagnostik nicht imstande gewesen, das Gespräch zu lenken und mich auf die Themen einzuschießen, die Vinh unter die Haut gingen. Also ja, aktive Manipulation schien tatsächlich machbar zu sein; das war nicht einfach eine Schnüffeltechnik. Und jetzt wusste er, dass ein erheblicher Teil des Selbstbildes von Ezr Vinh an den Dschöng-Ho-Märchen hing. Konnte der Junge wirklich von einer anderen Sicht dieser Geschichten umgedreht werden? Bisher hätte er das nie für möglich gehalten. Mit diesen neuen Werkzeugen vielleicht…
SIEBENUNDDREISSIG
»Wir sollten uns noch einmal zu einem Gespräch treffen.«
»… Gut. Schauen Sie, Pham. Ich glaube diese Lügen nicht, die Nau mir da aufgetischt hat.«
»Tja, jeder schreibt sich eben seine eigene Version von der Vergangenheit. Die Hauptsache ist, ich möchte dir ein bisschen zeigen, wie man mit derlei hinterhältigen Gesprächen umgeht.«
»Tut mir Leid. Ein paar Sekunden lang glaubte ich, wir seien aufgeflogen.« Die Stimme des Jungen klang schwach in Phams Ohr. Ezr Vinh war ziemlich gut im Umgang mit ihrer geheimen Sprechverbindung geworden; gut genug, dass Pham den verblüfften Tonfall hören konnte.
»Du hast es schon ganz gut gemacht. Mit ein bisschen Rückkopplungs-Training wirst du noch besser sein.« Sie redeten noch ein paar Augenblicke, legten einen Zeitpunkt und eine Tarnlegende fest. Dann wurde die schmale Verbindung unterbrochen, und Pham konnte über die Ereignisse des Tages nachdenken.
Verdammt. Heute war eine Katastrophe ganz knapp vermieden worden… oder nur vorläufig vermieden. Pham schwebte im abgedunkelten Zimmer, doch sein Blick schweifte über die kilometerbreite Lücke nach Diamant Eins und Hammerfest. Die Orter waren dort jetzt überall, und sie waren in Betrieb – obwohl die MRT-Geräte in der Fokus-Klinik fast augenblicklich alle Orter in der Nähe rösteten. Funktionierende Orter nach Hammerfest zu kriegen, war der Durchbruch, auf den er seit Jahren gewartet hatte, aber… Wenn ich nicht an der Diagnostik, die von Vinh kam, herumgefummelt hätte, hätten wir alles verlieren können. Pham hatte gewusst, wie der Hülsenmeister seine neuen Spielzeuge vielleicht verwenden würde; Ähnliches geschah, wenn auch weniger intensiv, im Temp seit Jahren. Nicht geahnt hatte er, dass Nau so tödlich viel Glück bei seiner Wortwahl haben würde. Nahezu zehn Sekunden lang war sich der Junge sicher gewesen, dass Nau alles herausbekommen hatte. Pham hatte die Meldung der Schnüffler über diese Reaktion abgeschwächt, und Vinh hatte eine ziemlich gute Tarnung dafür gefunden, aber…
Ich hätte nie geglaubt, dass Tomas Nau so viel über mich weiß. Im Laufe der Jahre hatte der Hülsenmeister oft behauptet, ein größerer Bewunderer der ›Giganten der Geschichte‹ zu sein, und er schloss Pham Nuwen immer in seine Liste ein. Es hatte immer nach einem leicht zu durchschauenden Versuch ausgesehen, eine gemeinsame Grundlage mit der Dschöng Ho herzustellen. Doch jetzt war sich Pham dessen nicht mehr sicher. Während Tomas Nau damit beschäftigt war, Ezr Vinh zu ›lesen‹, hatte Pham eine ähnliche Diagnostik auf den Hülsenmeister angewandt. Tomas Nau bewunderte tatsächlich sein Bild von dem historischen Pham Nuwen! Irgendwie glaubte das Ungeheuer, er und Pham Nuwen seien sich ähnlich. Er hat mich einen genannt, der ›eine Ordnung geschaffen hat.‹ Das weckte eine sonderbare Resonanz. Obwohl Pham nie daran gedacht hatte, diese Formulierung zu verwenden, war es fast genau das, was er selbst wollte. Aber wir haben nichts gemein. Tomas Nau tötet und tötet, und immer nur für sich selbst. Ich habe nie etwas anderes gewollt , als das
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