Eine Tiefe Am Himmel
die perverse Zuneigung, die Menschen aller Fraktionen für die Spinnen entwickelt hatten – eine wünschenswerte Sublimation, aber ein potenzielles Problem, wenn endlich die Zeit für richtige Aktionen kam; das angemessene Niveau für Annes Paranoia. »Ich weiß, dass Sie sie überwachen, Herr Hülsenmeister, aber ich glaube, sie treibt ab. Es ist nicht nur diese Fixierung auf System-Fallstricke. Sie hat sichtlich mehr Besitzdenken in Bezug auf ›ihre‹ Blitzköpfe entwickelt.«
»Es kann sein, dass ich sie zu scharf geeicht habe.« Annes Verdacht über sabotierte Blitzköpfe war total gestaltlos, ganz anders als ihre übliche analytische Präzision. »Aber was hat das mit den Ortern in Hammerfest zu tun?«
»Mit Orterunterstützung könnten meine Schnüffler konstante Feinanalysen durchführen – den Datenverkehr im Netz in Beziehung setzen zu dem, was tatsächlich geschieht. Es ist… es ist ein Skandal, dass unsere Sicherheitsvorkehrungen dort am schwächsten sind, wo wir die stärksten brauchen.«
»Hmm.« Er schaute Ritser in die Augen. Als Kind hatte Nau eine wichtige Regel gelernt: Was auch geschieht, belüg dich niemals selbst. Im Laufe der ganzen Geschichte hatte Selbsttäuschung große Männer von Helmun Dire bis zu Pham Nuwen ruiniert. Also ehrlich: Er wollte wirklich, wirklich den See, den ihm Qiwi unter Hammerfest gezeigt hatte. Mit solch einem Park hätte er etwas aus diesem Dreck gemacht, eine Pracht, die die Dschöng Ho selbst in zivilisierten Systemen selten übertraf. Das alles war keine Entschuldigung für eine Verletzung der Sicherheit – aber vielleicht machte seine Selbstverleugnung an sich alles schlimmer. Nehmen wir eine andere Denkschiene: Wer scheint das voranzutreiben? Ritser Brughel brachte dafür schrecklich viel Begeisterung auf. Er durfte ihn nicht unterschätzen. Indirekt hatte Qiwi dieses Dilemma hervorgebracht: »Was ist mit Qiwi Lisolet, Ritser? Was sagen deine Analytiker über sie?«
Etwas glitzerte in Ritsers Augen. Er empfand noch immer mörderischen Hass auf Qiwi. »Wir wissen beide, wie schnell sie die Wahrheit mitkriegen kann – genaue Überwachung ist wichtiger denn je. Aber gegenwärtig ist sie absolut, total sauber. Sie liebt Sie nicht, aber ihre Begeisterung für Sie ist fast so stark wie Liebe. Sie ist ein Meisterwerk, Herr Hülsenmeister.«
Qiwi kam jetzt ungefähr jede zweite Wache dahinter. Aber ihre letzte Gehirnwäsche war ganz frisch – und den Wirkungsbereich der Orter zu erweitern, würde eine noch genauere Überwachung erlauben. Nau dachte noch einen Augenblick darüber nach, dann nickte er. »In Ordnung, Vize-Hülsenmeister, holen wir die Orter nach Hammerfest.«
Natürlich befanden sich die Dschöng-Ho-Orter schon an Bord von Hammerfest. Die staubähnlichen Körnchen verbreiteten sich mit Luftströmungen, blieben an Kleidung und Haaren und sogar Haut haften. Sie waren im bewohnten Raum um den Felshaufen allgegenwärtig.
So allgegenwärtig sie sein mochten, waren die Orter ohne Energie doch nur harmlose Stückchen metallischen Glases. Jetzt programmierten Annes Leute die Kabelstränge von Hammerfest neu – und verlängerten sie in die neu gegrabenen Höhlen darunter. Jetzt lief zehnmal pro Sekunde ein Mikrowellenimpuls durch jeden freien Raum. Die Energie lag weit unter den Grenzwerten für biologische Schäden, so gering, dass sie die anderen Geräte am Ort nicht beeinträchtigte. Die Dschöng-Ho-Orter brauchten nicht viel Energie, gerade genug, um ihre winzigen Sensoren zu betreiben und mit den nächsten Nachbarn zu kommunizieren. Zehn Kilosekunden, nachdem die Mikrowellenimpulse eingeschaltet wurden, meldete Ritser, dass sich das Netz stabilisiert hatte und gute Daten lieferte. Millionen Prozessoren, über einen Durchmesser von vierhundert Metern verstreut. Jeder einzelne war kaum leistungsfähiger als ein Computer im Zeitalter der Morgenröte. Im Prinzip waren sie das mächtigste Computernetz bei L1.
In vier Tagen beendete Qiwi die Ausgrabungsarbeiten an der Höhle und installierte die Wellen-Servos. Ihr Vater braute weiter oben bereits Boden zusammen. Das Wasser würde zuletzt kommen, doch kommen würde es.
Im Nachhinein wunderte sich Nau, wie sie die ganze Zeit ohne die Orter ausgekommen waren. Ritser Brughel hatte absolut Recht gehabt. Vorher war ihr Sicherheitsdienst in Hammerfest beinahe blind gewesen. Vorher war das Dschöng-Ho-Temp eigentlich für Sicherheitsoperationen der günstigere Ort gewesen. Nau beaufsichtigte Brughel und
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