Eine Tiefe Am Himmel
Motoren arbeiteten fast geräuschlos, nur ein hoher stetiger Ton war zu vernehmen, der sich einem in die Eingeweide zu graben schien. Draußen waren Sonnen- und Sternenlicht zusammen gerade hell genug, dass in den Wolken unter ihnen Farben zu sehen waren. Schicht über Schicht bedeckten die Wolken die Welt. Aus dieser Höhe sahen selbst die obersten Wolken wie etwas Niedriges, Geducktes aus. Hier und da taten sich Schluchten in der Luft auf, und sie erhaschten einen Blick auf Eis und Schnee. In ein paar Minuten würden sie die Südliche Meerenge erreichen und den Luftraum des Einklangs verlassen. Der Kommunikationsoffizier sagte, rings um sie sei eine Staffel von Einklang-Kampfflugzeugen und würde sie den ganzen Weg bis zum Flugplatz der Botschaft in Südende begleiten. Der einzige Beweis für die Behauptung, den Unnerbei sah, war ein gelegentliches Glitzern in der Luft über ihnen. Ach ja. Wie alles Wichtige heutzutage bewegten sie sich zu schnell und zu weit entfernt, um von gewöhnlichen Sterblichen gesehen zu werden.
Eigentlich war General Schmids Privatflugzeug ein Überschall-Aufklärungsbomber, die Sorte, die mit dem Aufkommen der Satelliten veraltete. »Die Luftverteidigung hat es uns praktisch überlassen«, hatte Schmid bemerkt, als sie an Bord gekommen waren. »Das alles wird Schrott sein, wenn die Luft auszufrieren beginnt.« Dann würde es eine ganze neue Transportindustrie geben. Ballistische Flugkörper vielleicht? Antigravitations-Schweber? Vielleicht spielte es keine Rolle. Wenn ihre gegenwärtige Mission keinen Erfolg brachte, gab es womöglich überhaupt keine Industrie mehr, sondern nur endlose Kämpfe zwischen den Ruinen.
Die Mitte des Rumpfes war mit Reihe um Reihe von Computern und Nachrichtengeräten angefüllt. Unnerbei hatte die Laser- und Mikrowellen-Gehäuse gesehen, als er an Bord kam. Die Flugtechniker waren in das Militärnetz des Einklangs fast ebenso sicher eingeklinkt, als befänden sie sich im Landeskommando. Es gab auf diesem Flug keine Stewards. Unnerbei und General Schmid waren an kleinen Sitzgittern festgeschnallt, die nach den ersten paar Stunden schrecklich hart wirkten. Dabei hatte er es wahrscheinlich noch bequemer als die Kampftruppen, die hinten im Flugzeug an Netzen hingen. Eine Zehnergruppe, das war alles, was die Generalin an Leibwächtern hatte.
Viktoria Schmid war still und beschäftigt gewesen. Ihr Assistent, Tim Niederer, hatte all ihre Computerausrüstung an Bord gebracht: schwere, ungefüge Kästen, die sehr leistungsfähig sein mussten, sehr gut abgeschirmt – oder sehr veraltet. Die letzten drei Stunden hatte sie von einem halben Dutzend Bildschirme umgeben dagesessen, deren Licht schwach von ihren Augen widerschien. Hrunkner fragte sich, was sie wohl sah. Ihr Militärnetz im Verein mit all den offenen Netzen musste ihr eine fast Gott gleiche Sicht bieten.
Unnerbeis Bildschirm zeigte den letzten Bericht über die Untergrund-Bauarbeiten in Südende. Manches davon war gelogen – doch er kannte genug vom ursprünglichen Entwurf, um die Wahrheit zu erraten. Zum x-ten Mal zwang er seine Aufmerksamkeit zu der Lektüre zurück. Seltsam, als er jung gewesen war, seinerzeit im Großen Krieg, konnte er sich genauso konzentrieren, wie es die Generalin jetzt tat. Doch heute eilte sein Geist immer wieder voraus zu einer Situation und einer Katastrophe, die zu umgehen er keinen Weg sah.
Sie waren jetzt über der Meerenge; aus dieser Höhe gesehen, war das gebrochene Meereseis ein kompliziertes Muster von Rissen.
Es erklang ein Ruf von einem der Kommunikationstechniker. »He! Habt ihr das gesehen!«
Hrunkner hatte nicht die Bohne gesehen.
»Ja! Aber ich bin noch dran. Überprüfen!«
»Jawohl.«
Auf ihren Gittern vor Unnerbei beugten sich die Techniker über ihre Bildschirme, tasteten und schalteten. Lichter flackerten rings um sie, doch Unnerbei konnte die Worte auf ihren Schirmen nicht lesen – und das Darstellungsformat hatte nichts mit denen gemein, an die er gewöhnt war.
Hinter sich sah er, dass sich Viktoria Schmid von ihrem Gitter erhoben hatte und eindringlich zusah. Anscheinend war ihre Ausrüstung nicht mit der der Techniker verkoppelt. Tja. Soviel zur ›Gott gleichen Sicht‹, die er sich vorgestellt hatte.
Nach einer Weile hob sie eine Hand, gab einem von ihnen ein Zeichen. Der Bursche antwortete. »Sieht aus, als ob jemand mit Kernwaffen angefangen hat, Frau General.«
»Hm«, sagte Schmid. Unnerbeis Bildschirm hatte nicht einmal
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