Eine Tiefe Am Himmel
Der geheime Vorrat, den er in diesem Tunnel angelegt hatte, sollte noch an Ort und Stelle sein.
Nach ein paar Metern berührten seine Hände einen Stoffbeutel, der an der Wand befestigt war. Ha. Den Vorrat anzulegen, war sehr riskant gewesen, doch Endspiel-Manöver sind das für gewöhnlich, und dieses hatte sich gelohnt. Er zog den Beutel auf, fand die Ringlampe darin. Ein gelblicher Schein erschien rings um seine Hand. Pham griff sich den Rest der Ausrüstung, wobei das Licht seinen Händen folgte und um ihn herum Regenbögen und Schatten huschen ließ. In einem der Päckchen befanden sich winzige Bälle. Er warf einen davon in einen Seitentunnel. Eine Sekunde lang flog er lautlos, dann gab es einen dumpfen Aufprall und vielfaches Scheppern – eine Ablenkung für Annes lauschende Blitzköpfe.
Unsere Tarnung ist also hin, gerade ein paar Kilosek zu früh. Aber etwas ging fast immer schief, wenn die Pläne schließlich auf die Wirklichkeit trafen. Wenn alles glatt gegangen wäre, hätte er diesen Beutel nie gebraucht – und ebendarum hatte er ihn vorbereitet. Eins nach dem anderen bedachte Pham den Inhalt des Beutels: das Atemgerät, der Empfangsverstärker, das Medpäckchen, die Pfeilpistole.
Nau und Co. hatten mehrere Möglichkeiten. Sie konnten die Tunnel mit Gas füllen oder sie dem Vakuum aussetzen – letzteres hätte allerdings eine Menge wertvolle Ausrüstung zerstört. Sie konnten versuchen, hier drin auf ihn Jagd zu machen. Das wäre lustig; Naus Schlagetote würden herausfinden, wie gefährlich ihre Tunnel geworden waren… Pham fühlte die alte, alte Begeisterung in sich aufsteigen, die er immer empfand, wenn es zum Knacken kam, wenn aus Planung und Nachdenken Handeln wurde. Er stopfte sich die Ausrüstung in die Taschen, während der augenblickliche Plan sich in seinem Geist schärfer abzeichnete. Ezr, wir werden siegen, ich versprech’s. Wir werden trotz Anne siegen… und um ihretwillen.
Lautlos wie ein Nebel begann er seinen Weg den Tunnel hinan, die Ringleuchte gerade hell genug, um weiter vorn die Seitentunnel zu sehen. Es war Zeit, Anne einen Besuch abzustatten.
Die Unsichtbare Hand glitt hundertfünfzig Kilometer über der Spinnenwelt dahin. Sie war so tief, dass nur eine begrenzte Anzahl Spinnen an der Oberfläche sie direkt sehen konnte, doch wenn die Zeit heran war, würde sie exakt über die festgelegten Ziele hinwegfliegen. Und was immer sie Rita und den anderen bei L1 für Lügen erzählten, an Bord der Hand wurden die Spinnenorte ›Ziele‹ genannt.
Jau Xin saß im Sessel des Pilotenverwalters – einst, als das Schiff der Dschöng Ho gehört hatte, war es der Sessel des Ersten Offiziers gewesen – und beobachtete die graue Krümmung des Horizonts. Er hatte drei Blitzkopf-Piloten dabei, doch nur einer überwachte tatsächlich den Flug. Die anderen waren in Bil Phuongs Waffenleitsysteme eingeklinkt und planten Operationsvarianten. Jau versuchte die Worte zu ignorieren, die er vom Sessel des Kapitäns neben sich hörte. Ritser Brughel hatte Spaß daran, seinem Chef in Hammerfest einen laufenden Bericht über die Ereignisse auf dem Planeten zu geben.
Brughel hielt in seiner perversen Analyse inne, ein paar Sekunden lang herrschte gnädige Stille. Plötzlich fluchte der Vize-Hülsenmeister. »Herr Hülsenmeister! Was…?« Auf einmal begann er zu rufen: »Phuong! In Nordpfote wird geschossen. Omo ist alle, und… Eiter, ich hab meine Brillen-Verbindung verloren. Phuong!«
Xin wandte sich im Sessel um, sah Brughel auf sein Pult hämmern. Das bleiche Gesicht des Mannes war rot angelaufen. Der Vize-Hülsenmeister hörte einen Augenblick lang auf seinem privaten Kanal. »Aber der Hülsenmeister hat überlebt? Gut, dann gib mir Reynolt. Reynolt her!«
Anscheinend war Anne Reynolt nicht sofort greifbar. Hundert Sekunden vergingen. Zweihundert. Brughel tobte, und sogar seine Gorillas wichen zurück. Jau wandte sich seinen eigenen Bildschirmen zu, doch was sie zeigten, ging bedeutungslos an ihm vorüber. Das war bei Nau nicht vorgesehen.
»Schlampe! Wo warst du? Was…?« Dann schwieg Brughel wieder. Er grunzte gelegentlich, unterbrach aber nicht, was wohl ein Monolog war. Als er wieder sprach, klang er eher nachdenklich als wütend. »Ich verstehe. Sagen Sie dem Hülsenmeister, er kann auf mich zählen.«
Das Ferngespräch dauerte noch einen Wortwechsel lang, und Jau begann zu ahnen, was kommen würde. Jau konnte nicht anders, sein Blick glitt zur Seite, zum Vize-Hülsenmeister
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