Eine Tiefe Am Himmel
tun. Es kommt alles in Ordnung.« Ihre Hände strichen zärtlich über das Haar in seinem Nacken, und er spürte, wie sie innerlich zitterte. Es war Qiwi Lisolet, die sich Sorgen machte, die sich zu Tode arbeiten würde, wenn sie glaubte, sie könnte damit ihrer aller Überlebenschance um ein Prozent erhöhen. Lange Sekunden trieben sie schweigend dahin, bis die Schwerkraft sie zu dem üppigen Geflecht von Spitze herabzog, das ihr Bett war.
Nau ließ seine Hände auf ihren Flanken hin und her wandern; er spürte, wie die Sorge in ihr langsam abklang. Eine Menge war bei dieser Mission schief gelaufen, doch Qiwi Lisolet konnte als kleiner Triumph verbucht werden. Sie war vierzehn gewesen – frühreif, naiv, eigensinnig –, als Nau die Dschöng-Ho-Flotte kassierte. Das Mädchen war wirksam mit Geistfäule infiziert. Sie hätte fokussiert werden können; eine Zeit lang hatte er erwogen, sie zu seinem Körperspielzeug zu machen. Der Seuche sei Dank, dass ich es nicht getan habe.
In den ersten paar Jahren hatte das Mädchen einen großen Teil der Zeit in diesem Zimmer verbracht und geweint. Diems ›Mord‹ an ihrer Mutter hatte sie zur ersten völlig aufrichtigen Überläuferin gemacht. Nau hatte Megasekunden damit verbracht, sie zu trösten. Zunächst war das nur eine Übung in Überzeugungskunst gewesen, mit der möglichen Nebenwirkung, dass Qiwi seine Glaubwürdigkeit bei den anderen Krämern erhöhen würde. Doch im Laufe der Zeit erkannte Nau, dass das Mädchen gefährlicher und nützlicher war, als er geglaubt hatte. Qiwi hatten einen großen Teil ihrer Kindheit wach auf dem Flug von Triland verbracht. Sie hatte die Zeit mit fast fokusmäßiger Intensität genutzt, Bauingenieurswesen, Lebenserhaltungs-Technik und Handelspraktiken gelernt. Es war sonderbar: Warum erhielt ein einzelnes Kind solch eine besondere Behandlung? Wie so viele Teile der Dschöng Ho hatte die Lisolet-Familie ihre eigenen Geheimnisse, ihre eigene interne Kultur. Während der Verhöre hatte er die wahrscheinliche Erklärung aus der Mutter des Mädchens herausgequetscht. Die Lisolets benutzten die Zeit zwischen den Sternen, um jene Mädchen zu formen, die für Führungspositionen in der Familie vorgesehen waren. Wenn es nach Kira Pen Lisolets Plänen gegangen wäre, wäre das Mädchen hier am Ziel für die weitere Unterweisung bereit gewesen, völlig beherrscht von ihrer Loyalität ihrer Mutter gegenüber.
Wie es sich ergeben hatte, eignete sich das Mädchen dadurch ideal für Tomas Naus Zwecke. Sie war jung und begabt und brauchte dringend jemanden, dem sie ihre Loyalität zuwenden konnte. Er konnte sie Wache um Wache ohne Kälteschlaf verbringen lassen, ganz wie er es selbst tun musste. Sie würde eine gute Gefährtin für die vor ihm liegende Zeit sein – und eine, die als ständige Probe für seine Pläne diente. Qiwi war klug, und ihre Persönlichkeit war in vieler Hinsicht noch sehr unabhängig. Selbst jetzt, nachdem die Beweise, was ihrer Mutter und den anderen wirklich zugestoßen war, sicher ins Nichts gesprengt waren, konnten Schnitzer passieren. Qiwi zu benutzen, war anstrengend, eine permanente Mutprobe. Doch wenigstens verstand er die Gefahr jetzt und hatte Vorkehrungen getroffen.
»Tomas…« Sie wandte sich ihm direkt zu. »Glaubst du, dass ich diesen Felshaufen jemals stabil kriege?«
Das war wirklich etwas, worum sie sich sorgen sollte. Ritser Brughel – oder selbst ein jüngerer Tomas Nau – hätte nicht erkannt, dass die korrekte Antwort keine Drohung oder auch nur Missbilligung sein konnte. »Ja, dir wird etwas einfallen. Uns wird etwas einfallen. Nimm dir ein paar Tage frei, ja? Der alte Trinli kommt in dieser Wache aus dem Kälteschlaf. Lass ihn den Felshaufen eine Weile balancieren.«
Qiwis Lachen ließ sie sogar noch jünger wirken, als sie aussah. »O ja. Pham Trinli!« Er war der Einzige von Diems Mitverschwörern, für den sie eher Mitleid als Zorn empfand. »Weißt du noch, wie er letztes Mal das Gleichgewicht gehalten hat? Er redet viel, aber er hat so schüchtern angefangen. Ehe er es sich versah, trieb der Felshaufen mit drei Metern pro Sekunde von L1 weg. Dann reagierte er zu heftig, und…« Sie begann wieder zu lachen. Die merkwürdigsten Dinge brachten dieses Krämermädchen zum Lachen. Es war eins von den Rätseln an ihr, das ihn noch fesselte.
Lisolet schwieg einen Augenblick, und als sie schließlich sprach, überraschte sie den Hülsenmeister. »Tja… vielleicht hast du Recht. Wenn es nur vier
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