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Eine tolle Zeit

Eine tolle Zeit

Titel: Eine tolle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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Kontrolldiwan auf und ab und warfen sich dann und wann ein Wort zu. Hinter ihnen saßen Bruce und Lili uns gegenüber auf der Couch und redeten ernsthaft über irgend etwas. Maud hatte sich am anderen Ende der Bar niedergelassen und strickte – das ist eine der Angewohnheiten wie das Schachspielen oder das heimliche Trinken oder der Sprachunterricht mit dem Sprechkasten, die wir hier aufgreifen, um in den langen Pausen zwischen den Parties die Zeit totzuschlagen. Doc fummelte in der Galerie herum, nahm Objekte zur Hand und stellte sie wieder fort, wobei er auf den Fü ßen blieb, was immerhin schon etwas war.
    Lili und Bruce standen auf, noch immer intensiv re dend, und Illy begann mit seinen Tentakeln in den hohen Tönen eine kleine Melodie zu greifen, die sich absolut unirdisch anhörte.
    »Woher haben sie nur all die Energie?« fragte ich mich.
    Aber kaum hatte ich diese Frage gestellt, wußte ich auch schon die Antwort und begann mich ebenso zu fühlen. Das war keine Energie; es waren schlicht und einfach die Nerven.
    Ich überlegte, daß die Veränderung wie eine Droge ist – man gewöhnt sich daran, daß die Tatsachen nicht unveränderlich sind und daß sich die Bilder der Vergangenheit und Zukunft in anderen Bildern auflösen, die vielleicht nicht wesentlich anders, aber doch im mer hin anders sind. Man gewöhnt sich daran, daß der Geist ständig von seltsamen Stimmungen und Vorstellungen heimgesucht wird – wie Nachtclubbeleuchtungen aus sich verändernden Farben mit verrückten Schatten, Impressionen, die direkt ins Gehirn gehen.
    Das endlose Schwanken und Rütteln ist erholsam, wie etwa eine Zugreise.
    Die Bewegung sagt einem bald zu, und man braucht sie auch, ohne das zu wissen, und wenn sie plötzlich aufhört und man abrupt mit sich allein ist und die Tatsachen, denen das eigene Denken und Fühlen entspringt, die gleichen sind und bleiben – Mann, das ist hart, wie ich jetzt erkennen mußte.
    Im Augenblick unserer Introversion wurde alles, was gewöhnlich während Wachen und Schlafen in die Station dringt, abgestoppt, und wir waren nichts als wir selbst und was wir einander bedeuteten und was wir daraus machen konnten – eine schrecklich einsame, unangenehme Lage.
    Ich kam zu dem Schluß, daß mir zumute war wie einer Schwimmerin, die in einem Swimmingpool voller Zement geworfen und unter der Oberfläche festgehalten worden war, bis die Masse sich verhärtete.
    Ich konnte also verstehen, daß die anderen ein wenig herumzappelten. Ein Wunder, daß sie nicht in die Leere rasten. Maud schien bestens zurechtzukommen, vielleicht war sie durch ihre langen Wachen zwischen den Sternen ein wenig darauf vorbereitet; außerdem ist sie älter als wir alle, sogar älter als Sid.
    Die nervöse Suche nach dem Versorger hatte das Gefühl überlagert, aber jetzt begann es mit voller Kraft durchzuschlagen. Vor der Suche hatten Bruces Rede und Erichs Unterbrechungen ebenfalls einiges verschleiert. Ich versuchte mich an den Augenblick zu erinnern, da ich das Gefühl zum erstenmal spürte, und kam zu dem Schluß, daß es nach Erichs Sprung auf die Bombe gewesen sein mußte, etwa zu der Zeit, als er von Poesie sprach. Aber ich konnte mir dessen nicht sicher sein. Vielleicht war der Versorger schon vorher introvertiert worden, etwa als ich mich zu den Geistermädchen umsah. Ich hätte es nicht gemerkt. Also Quatsch!
    Glauben Sie mir, ich spürte den sich verhärtenden Zement an jedem Zentimeter meines Körpers. Ich erinnerte mich an Bruces herrliches Bild eines Universums ohne Große Veränderung, und kam zu dem Schluß, das müßte so etwa die schlimmste Vorstellung überhaupt sein. Ich aß also weiter, obwohl ich nicht mehr recht wußte, ob es ein so guter Gedanke war, bei Kräften zu bleiben.
    »Hat der Versorger eine Introversionsanzeige? Sid dy!«
    »Gemach, Maid, und bei deiner Lieb’, sprich leiser. Ganz plötzlich ist mir nicht wohl, als hätte ich ein Faß Rheinwein ausgetrunken und darin geschlafen. Aber ja, blau. Ein kurzes Aufflackern, so heißt es im Handbuch. Was fragt Ihr?«
    »Ach, nichts. Gott, Siddy, was ich jetzt für einen Hauch Veränderungswind gäbe!«
    »Das kannst du zweimal sagen«, stöhnte er. Ich schien ihm einen ziemlich elenden Eindruck zu machen, denn er legte den Arm um meine Schultern und flüsterte rauh: »Tröste dich, Holde, wenn wir auch lei den, können wir doch nicht den Veränderungstod erleiden.«
    »Was ist denn das?« fragte ich.
    Ich wollte nicht herumhippeln wie die anderen.

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