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Eine tolle Zeit

Eine tolle Zeit

Titel: Eine tolle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz Leiber
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der Bar gestanden hatte. Wäre der Versorger introvertiert worden, ehe er auf die Bar sprang, hätten wir bestimmt die blaublitzende Anzeigelampe bemerkt. Zumindest hätte ich sie gesehen, als ich mich zu den Geistermädchen umdrehte – wenn der Apparat wirklich so funktionierte, wie Sid behauptete, und er hatte ja auch gesagt, er hätte den Mechanismus noch nicht arbeiten sehen, sondern nur im Handbuch darüber gelesen – ach, was soll’s!
    Aber Bruce selbst brauchte gar keine Gelegenheit zur Tat, wie mir die Männer in der Station sicherlich gleich versichert hätten, da er doch Lili hatte, die Sa che für ihn zu tun, und sie hatte die gleiche Gelegenheit gehabt wie wir alle. Ich selbst habe ziemliche Bedenken gegen die Frau-ist-Lehm-in-der-Hand-des-Mannes-den-sie-wahnsinnig-liebt-Theorie, aber ich mußte zugeben, daß in diesem Fall einiges dafür sprach, und es war mir ganz n atürlich vorgekommen, daß wir stillschweigend übereingekommen waren, weder Lilis noch Bruces Feststellungen bei der Suche nach dem Versorger ungeprüft durchgehen zu lassen.
    Damit waren wir alle abgehandelt. Übrig blieb nur der geheimnisvolle Fremde, der sich irgendwie durch eine Tür hereingeschlichen hatte (wie hatte er die ohne unseren Versorger errichtet?) oder aus einem unvorstellbaren Versteck oder unmittelbar aus der Leere. Ich wußte, daß letzteres unmöglich ist – nichts kann aus dem Nichts treten –, aber wenn je etwas danach ausgesehen hat, als sei es dazu geschaffen, uns schreckliche Erscheinungen auf den Hals zu schicken, dann die Lee re – neblig, aufwallend, schleimig, grau …
    »Sekunde«, sagte ich mir, »einen Augenblick, Gre ta. Das hätte dir doch gleich auffallen müssen!«
    Was immer aus der Leere kam – oder um präziser zu sein – wer immer sich aus unserer Menge löste und zum Versorger ging, hätte im Blickfeld Bruces sein müssen. Er hatte die ganze Zeit über an uns vorbei auf den Versorger geschaut, und was immer geschehen war, er mußte es gesehen haben.
    Bei Erich war das etwas anderes; auch als er schon auf der Bombe stand, hatte er soviel Bühnenverstand bewiesen, um Bruce die meiste Zeit anzusehen, damit er seine Rolle als Volkstribun aufbauen konnte.
    Aber Bruce mußte etwas gesehen haben – es sei denn, er hatte sich von seinen eigenen Worten derart hinreißen lassen …
    Nein, Kind, ein Dämon ist immer auch ein Schauspieler, wie sehr er auch selbst glauben mag, was er da äußert, und es hat noch keinen Schauspieler gegeben, der nicht sofort bemerkt, wenn jemand aus dem Publikum seiner großen Szene den Rücken kehrt.
    Also wußte Bruce Bescheid, was ihn als besseren Schauspieler hinstellte, als ich ihm hatte zubilligen wollen, da sich offenbar niemand sonst bisher überlegt hatte, was mir eben eingefallen war, oder er wäre längst damit konfrontiert worden.
    Aber ich tu’s nicht – ich bin nicht so. Außerdem fühlte ich mich dem nicht gewachsen – nervöse Anna, nimm’s mir nicht übel, aber mir war höllenmies.
    »Vielleicht«, munterte ich mich auf, »ist ja die Station die Hölle«, fügte aber hinzu: »Sei nicht kindisch, Greta – sei mal eine wirklich bodenlose, zügellose, rücksichtslose Neunundzwanzigjährige.«

Das Sperrfeuer dröhnt.
    Schwer gebeugt von Bomben,
    Gewehren, Schaufeln und allerlei Kampfgerät
    Kriechen Männer dem wütenden
    Feuer entgegen.
    In grauen Reihen, murmelnd,
    angststarren Gesichts
    Verlassen sie die Schützengräben,
    wälzen sich hinan,
    Und geschäftig, gefühllos
    vertickt die Zeit an ihren Armen
    Sassoon
     
11
Die Westfront 1917
     
    »Bitte nicht, Lili.«
    »Ich tu’s, mein Schatz.«
    »Maid, wach auf! Fröstelt dir?«
    Ich öffnete ein wenig die Augen und belog Siddy mit einem Lächeln, verschränkte fest die Hände und beobachtete Bruce und Lili, die sich nahe dem Kontrolldiwan anmutig stritten, und ich wünschte, auch ich hätte eine große Liebe, die meinen Kummer verdeckte und mir ein vernünftiger Ersatz für die Veränderungswinde wäre.
    So wie Lili den Kopf zurückwarf und sich mit stolzem, zärtlichen Lächeln aus seinen Armen befreite, war sie bei der Auseinandersetzung Sieger geblieben. Er trat einige Schritte zur Seite; zum Glück wandte er sich nicht achselzuckend an uns wie ein alter Ehemann, obwohl seine Nervosität offenkundig war und er mit der Introversion nicht so gut zurechtzukommen schien – wie etwa wer?
    Lili legte eine Hand auf die Lehne des Kontrolldiwans, preßte die Lippen zusammen und blickte in die Runde,

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