Eine tollkuehne Lady
Nackenhaare auf gestellt und dann Wellen von düsterem Verlangen in ihm ausgelöst, ganz tief in seinem Inneren, an Orten, die Ian eigentlich nie mehr ergründen wollte.
Obwohl sie jetzt allein an der Balustrade stand, konnte er das Bild nicht loswerden, ebenso wenig wie die Erinnerungen, die es in den hintersten Winkeln seines Herzens geweckt hatte.
Nie wieder würde er zulassen, dass eine Frau mit ihm spielte. Ihn demütigte. Ihn betrog. Sein Vertrauen missbrauchte.
Nie wieder.
Und wenn sie sich so benahm wie eben, Hof hielt inmitten einer Schar von Männern, die sie anhimmelten, dann wollte er weg von ihr. Ehe er sich noch tiefer in seine Gefühle für sie verstrickte.
Er konnte das nicht noch einmal durchmachen.
Vergiss nicht, sie ist die Nichte der Hawkscliffe-Hure.
Ihm gegenüber stemmte Georgiana die Hände in die Hüften. „Warum starrst du mich so finster an?“
Ihre direkte Frage und der selbstsichere Tonfall holten ihn zurück aus den düsteren Tiefen der Vergangenheit direkt in die Gegenwart.
Georgie, erinnerte er sich.
Dies war Georgie. Sein temperamentvolles, hitziges, leidenschaftliches Mädchen.
Nicht seine verlogene Ehefrau.
Erleichterung durchflutete ihn, dass sie nichts Unrechtes getan hatte.
Noch nicht.
„Hm?“ Sie hob den Kopf noch ein wenig mehr, während sie auf seine Antwort wartete, und zog die Brauen hoch.
Wenn er sich nicht täuschte, so schien sie auf Streit aus zu sein.
Nun, das war seltsam. Natürlich konnte es etwas mit dem finsteren Blick zu tun haben, mit dem er sie bedacht hatte. Er zwang sich dazu, damit aufzuhören. Dies war schließlich Georgie, nicht Catherine, und genauer betrachtet war seine Reaktion darauf, dass er sie von Männern umringt gesehen hatte, vielleicht etwas zu heftig gewesen.
Ian unterdrückte einen seiner sehr seltenen, aber dafür umso stärkeren Zornesausbrüche und ließ aus seinem Zorn schlichtes Missfallen werden, mit einer gehörigen Dosis gesunden Misstrauens zu seinem eigenen Besten. Er straffte die Schultern, verbannte den Zorn aus seinem Gesicht und reichte Georgie ihr Getränk.
„Verzeih mir“, brachte er knapp heraus. „Ich wurde aufgehalten.“
„Stimmt etwas nicht?“
Er wusste, er sollte die Frage nicht beantworten, daher vermied er eine Antwort. „Ja, in der Tat“, murmelte er und hielt stirnrunzelnd das Glas gegen das Licht. „Da ist eine verdammte Fliege in meinem Glas.“
Ein kleines geflügeltes Insekt war in seinen Punsch gefallen und ertrank nun in der süßen Flüssigkeit, inmitten der Früchte.
„Ian“, sagte sie.
Er sah sie wachsam an.
„Du weißt, dass ich das nicht meine.“
Ihm war klar, er sollte besser einfach den Mund halten, lächeln, alles ableugnen - darin war er ein Experte -aber nach kurzem Nachdenken war es ihm unmöglich zu schweigen. Er stellte die Tasse hin. „Es ist nicht klug von dir, allein herumzulaufen“, erklärte er und bemühte sich um einen beherrschten Tonfall. „Du musst besser aufpassen, Georgiana. Ich bin sicher, du bist darüber im Bilde, dass du nicht die Gesellschaft fremder Männer genießen kannst, ohne deinem Ruf zu schaden. Und dem deiner Familie. Und meinem.“
„Zu deiner Information, ich bin hier herausgegangen, um etwas frische Luft zu schnappen! Ich stand ganz allein hier, als sie dazu kamen.“
„Was glaubst du, was sie von dir wollten?“, stieß er leise und ein wenig drohend hervor.
In ihren Augen flackerte etwas, doch sie wandte den Blick ab und sah hinaus in den Garten. „Sie sagten, sie wollten mit mir tanzen.“
„Richtig“, erwiderte er etwas spöttisch. Dann fiel ihm noch etwas ein, und ihm wurde kalt. „Haben sie dich beleidigt?“, fragte er, bereit, irgendwem den Kopf abzureißen, sollte das der Fall gewesen sein.
„Nein“, erwiderte sie verächtlich.
„Dich geängstigt?“
„Natürlich nicht!“, gab sie zurück, aber ihr Gesichtsausdruck deutete an, dass er möglicherweise diese Wirkung auf sie hatte.
Erschrocken senkte Ian den Blick. Ganz kurz durchdrang ein klarer Gedanke das nachtschwarze Durcheinander seiner Gefühle. Gütiger Himmel, was geschah da mit ihm? Er biss die Zähne zusammen.
Georgiana sah ihn an, und Ian glaubte plötzlich, dass sie genau wusste, was ihn beschäftigte.
Langsam nahm er sein Punschglas hoch, schüttete den Inhalt über das Geländer in ein Blumenbeet und stellte es dann mit einer höchst eleganten Geste auf die breite Balustrade. „Wir sollten in den Ballsaal zurückkehren.“
„Ja“,
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