Eine tollkuehne Lady

wenden wollte.
    Aber welche Wahl hatte er denn gehabt?
    Die Gefahr für Georgiana und seinen Sohn hatte all die Schutzwälle eingerissen, mit denen er seine eigentliche Natur so lange im Zaum gehalten hatte. Wann würde er endlich lernen, dass Gefühle unberechenbar waren? Jedes Mal, wenn sie an die Oberfläche gelangten, geschah etwas Grässliches.
    Nun, es ist passiert, dachte er voller Abscheu, und es kann nicht rückgängig gemacht werden, oder? Die Katze war aus dem Sack - der Tiger befand sich nicht mehr im Käfig.
    In gewisser Weise war er erleichtert, sich nicht mehr verstecken zu müssen. Endlich konnte er frei atmen, als wäre er ein zu enges Krawattentuch losgeworden. Wieder rieb er sich die Kehle, noch immer wie gelähmt bei dem Gedanken, wie nahe er dem Tod gewesen war. Doch wenn er nicht das Tier in sich freigelassen und den Agenten der Maharani getötet hätte, wäre sein Sohn ihm geraubt und Georgiana vermutlich als Nächstes getötet worden, denn sie war es gewesen, die Sujanas Verrat offengelegt hatte.
    Doch in seinem Zorn hatte Ian dafür gesorgt, dass es nicht so weit gekommen war. Das verlieh ihm eine finstere Zufriedenheit. Wenn Königin Sujanas Männer noch einmal seine Familie angreifen sollte, dann war er vorbereitet.
    Er hoffte nur, dass sein Sieg über den Mörder ihm nicht das genommen hatte, was ihm am wichtigsten war: Matthews Vertrauen. Und Georgianas Liebe.
    Ian war bereit, alles zu tun, um mit diesen beiden Menschen sein Leben zu verbringen. Was immer nötig wäre. Was hätte es für einen Sinn, wenn sie sich in seiner Nähe nicht sicher fühlten?
    Aber er hatte gemerkt, wie Georgiana vor ihm zurückgewichen war, und er wusste, dass sie Gewalt ablehnte. Er könnte es nicht ertragen, dieselbe Angst in ihren Augen zu sehen, die er in Catherines Gesicht in den letzten Augenblicken vor ihrem Tod gesehen hatte.
    Dann rief ihn der Konstabler, und sie verließen den Park. Ian wurde in das Haus des Richters gefahren, wo er den Rest des Nachmittags immer wieder dieselben Fragen beantwortete für verschiedene Beamte aus der Bow Street und vom Innenministerium.
    In der Zwischenzeit wurde die Knight-Brüder aktiv. Hawk und Viscount Strathmore, ein guter Freund der Familie und auch von Ian, nutzten ihre Positionen, um verschiedene Botschafter aus dem Osten zu treffen und herauszufinden, ob diese irgendwelche Informationen über Königin Sujanas Pläne besaßen.
    Lucien kümmerte sich um Ians Interessen, während dieser verhört wurde. Lucien war ein ehemaliger Agent des Außenministeriums, dessen Spezialität Informationsbeschaffung gewesen war. Obgleich er sich seit seiner Heirat nicht mehr im Dienst befand, hatte er noch immer viele Freunde in der Bow Street. Gelegentlich half er einem der Bow Street Runners, ein Rätsel zu lösen, um seine Fähigkeiten als Spion nicht ganz einrosten zu lassen. Er war genau der Freund, den man in einem solchen Fall brauchte.
    Was Luciens Zwillingsbruder Damien betraf, Colonel Lord Winterley, so hatte man Georgie und Matthew zu seinem Landhaus in Berkshire gebracht. Als Dank für seine außerordentlichen Verdienste im Krieg gegen Napoleon hatte das Land ihm das Anwesen übereignet, und Winterhaven lag ideal - nicht zu nahe und auch nicht zu weit entfernt von London. Was Winterhaven besonders sicher machte, war der Umstand, dass der Kriegsheld Damien einen Rennstall dort eingerichtet hatte, den er besonders gern mit kampferprobten Veteranen aus seinem Regiment besetzte - seinen eigenen Soldaten, die im Krieg unter ihm gedient hatten.
    Lord Alec, der jüngste der Knight-Brüder, hatte Georgie und Matthew zu ihrem Schutz auf dem Weg dorthin begleitet. Alec konnte außerordentlich geschickt mit dem Degen umgehen, eine Folge der zahllosen Duelle, die er in seinen wilden Jahren ausgefochten hatte. Unter Damiens strengem Befehl verhielt Alec sich klug und kühn, mit der Seele eines Spielers, obwohl er seit seiner Heirat weder Karten noch Würfel anrührte.
    Mit all dieser Hilfe konnte Ian zumindest beruhigt sein, dass für Georgie und Matthew gesorgt war, während er festgehalten wurde, bis er zu ihnen kommen konnte.
    Wann das sein mochte, war schwer zu sagen.
    Die Befragung dauerte an. Endlich erreichte Lucien seine Kollegen vom Außenministerium, die inzwischen auch eine Verbindung zwischen dem toten Ausländer und Ians letzter diplomatischer Mission sahen. Ians Behauptung, dass dieser Mann ein Agent Königin Sujanas gewesen war, wurde bestätigt durch die Tatsache,