Eine tollkuehne Lady
die verruchten Darstellungen unberührt ließen.
Aber er versuchte gar nicht, sein Interesse an den Skulpturen zu verbergen. Gründlich studierte er die Akte, dann blickte er Georgie an, als wartete er auf ihre Reaktion. „Soll ich das Riechsalz holen? “
Sie verzog das Gesicht zu einem angestrengten Lächeln und errötete ein wenig. „Kaum. “
Er erwiderte ihr angespanntes Lächeln ruhig und gelassen, was Georgie noch mehr beunruhigte. Sie sahen einander ein wenig zu lange an.
Himmel, es konnte unmöglich gesund sein, wenn ein Herz so schnell schlug! Georgie hoffte nur, dass sie nicht plötzlich tot umfiel.
„Befänden sich diese Figuren in London, wäre es Ihnen nicht erlaubt, sie zu betrachten, wissen Sie“, meinte er und bot ihr den Arm, während er neben ihr durch die Dunkelheit schritt.
„Unsinn, das ist Kunst“, entgegnete sie und nahm seinen Arm. Sie genoss seine Nähe mehr als er ahnte. Bewundernd schloss sie die Finger um seinen muskulösen Arm.
„Ich habe“, fuhr er fort, „gehört, dass manche Leute in London sogar begonnen haben, Feigenblätter an den römischen und griechischen Statuen anzubringen, die ihre Väter von der Grand Tour mitbrachten. “
„Wie ehrbar“, rief sie leise lachend aus. „Nun, das ist ein Unterschied, oder? In unserem Glauben thront der Allmächtige allein oben in den Wolken, aber im Hinduismus hat beinahe jeder Gott eine Ehefrau als Gefährtin - eine Göttin, die sein Gegenpart ist und deren Kräfte den Gegensatz zu seinen bilden. Und“, fügte sie hinzu, „wie Sie sehen können, drücken sie ihre Hingabe füreinander aus in... “
„Heiligem Sex“, flüsterte er ihr zu, als sie nicht weiter wusste.
„Ja. “ Ihre Stimme klang ein wenig belegt. Sie nickte errötend.
„So etwas sollten Sie nicht wissen“, schalt er leise, als er sie lächelnd beobachtete.
„Aber ich weiß es“, erwiderte sie und schaute ihm in die Augen. „Ich weiß davon. “ Wieder wandte sie sich ab, und sie gingen weiter. „Nicht aus eigener Erfahrung natürlich, aber... “
„Aber Sie würden es gern lernen“, stellte er fest und betrachtete sie fragend.
„Warum? Bieten Sie an, es mich zu lehren? “
„Hmm. “ In seinen Augen schien ein Glanz zu liegen, der die Nacht durchdrang.
Georgie spürte eine Sehnsucht nach ihm in sich aufsteigen, die sie in dieser Intensität bislang noch nicht kannte. Mehrfach räusperte sie sich, um die Fassung wiederzuerlangen. Vielleicht sollte sie nicht so offensichtlich mit ihm kokettieren, denn wenn er sie mit solchen Blicken maß, hungrig wie ein Tiger im Käfig, dann, das begriff sie nun, würde sie vielleicht mehr erfahren, als sie hatte lernen wollen.
Spannung lag in der Dunkelheit zwischen ihnen, und so erreichten sie den prächtigen Eingang zum Tempel. Geor-gie bemerkte ein Licht, das von innen kam. Sie nahm die Hand von Ians Arm, spähte hinein, und sah Priester, die gerade mit rituellen Handlungen beschäftigt waren. Zu bestimmten Stunden mussten den heiligen Statuen Opfer dargebracht werden, wie die gefüllten Teller mit Speisen, die unter zahlreichen Gebeten von den Priestern zu ihren Füßen gestellt wurden.
Georgie wandte sich zu Lord Griffith und schüttelte den Kopf, um ihm zu sagen, dass sie hier nicht allein sein würden, dann entdeckte sie den Eingang zu Janpurs berühmter Gebetshöhle und bedeutete dem Marquess, ihr dorthin zu folgen.
Er tat wie ihm geheißen, betrachtete die aus dem Felsen gehauene Veranda, die dem Eingang zur Höhle vorgelagert war. Ein steinernes Vordach, geschlagen aus dem Sandstein der Region, wurde gestützt von dicken Säulen und flankiert zu beiden Seiten von himmlischen Jungfrauen, die alle Gläubigen aus ihren Alkoven heraus zu begrüßen schienen.
„Überall im Deccan-Gebirge gibt es Gebetshöhlen wie diese“, erklärte Georgie leise, als sie sich näherten. „Die Festung ist mittelalterlich, der Schrein noch älter, aber der Tempel ist am ältesten. Manche sagen, es gibt ihn seit tausend Jahren. Er war einer der Gründe, warum dieser Berg als Ort für die Festung gewählt wurde. Es hat etwas mit Fruchtbarkeit zu tun. “
„Warum erstaunt mich das nicht? “, murmelte er.
Sie lächelte ihn an, streifte die Schuhe ab, ließ sie an der Wand stehen und huschte Ian voraus über die schattige Veranda. Er schloss sich ihr an, aber als sie den Vorraum durchquerten und nach vorn spähten, über die in Stein gehauenen Stufen hinweg, die weiter in den Berg hineinführten, übernahm der
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