Eine tollkuehne Lady
stets höfliche Lord Griffith um Georgies Sicherheit willen die Führung und ergriff ihre Hand. Georgie, die noch immer das Kleid vom Dinner trug, benutzte die freie Hand, um den Saum zu raffen.
Gemeinsam folgten sie der Spur der kleinen Kerzen, die die Priester entlang der Sandsteintreppen zurückgelassen hatten. In der immer tiefer werdenden Dunkelheit leuchteten die Flammen wie kleine Sterne.
Die Luft wurde kalt und feucht, und mit jedem Schritt, den sie in das grabähnliche Gewölbe hinabgingen, wurde ihnen bewusster, wie viel Gewicht sich über ihnen türmte.
Aber Georgie war noch immer aufgeregt von dem gewagten Wortwechsel von vorhin, und voller Anspannung suchte sie nach einem unverfänglicheren Thema. „Ich habe über etwas nachgedacht, Lord Griffith. “
„Ian, bitte. Worüber haben Sie nachgedacht? “
Sie blieb auf den Stufen stehen und lächelte ihm zu, erfreut von seiner Aufforderung, ihn beim Vornamen zu nennen. „Dann sagen Sie bitte auch Georgiana zu mir. Ich habe darüber nachgedacht, warum Sie wohl die halbe Erde umrundet haben, um Ferien zu machen“, erklärte sie freundlich, während sie weiter die steinerne Treppe hinabstiegen. „Sie sagten, Sie hätten Ceylon besucht. “ „Ja. “
„Aber von England aus ist das eine mehrmonatige Reise, oder nicht? “
„Das stimmt“, meinte er. „Ich brauchte einen Ort zur Erholung. “
Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Ich vermute, Sie wurden abberufen, ehe Sie sich erholen konnten. “
Er lachte. „Sieht man das? “
„Nur ein wenig. Warum so weit reisen zur Erholung? “ „Ich weiß es nicht“, murmelte er, als sie den tiefsten Punkt der Höhle erreicht hatten. „Ich glaube, ich musste einfach einmal fort. Weit, weit fort. “
„Von was? “
„Von allem. “ Er vermied es, sie anzuschauen und verscheuchte eine herumflatternde Motte. „Arbeit. Verantwortung. Die Vergangenheit. “
Georgie nickte voller Mitgefühl. „Auch von den Erinnerungen an Ihre Gemahlin? “
Er rieb sich die Wange und seufzte. „Vielleicht ein wenig. “ Dann zuckte er die Achseln und seine Miene war wieder verschlossen.
Georgie lächelte ihn zärtlich an. „Das Leben gehört den Lebenden, Ian. “
„So sagte man es mir. “ Er wandte sich ab und drehte sich einmal um die eigene Achse. „Sehen Sie sich das an, das ist fantastisch! Kommen Sie. “ Wieder nahm er ihre Hand und führte Georgie tiefer in den Tempel.
Während sie weiter in die riesige Vorhalle vordrangen, die aus dem Naturstein herausgeschlagen worden war, entdeckten sie vor sich einen hohen steinernen Schrein, getragen von achteckigen massiven Säulen und einem Monolithen als eine Art Altar.
Alt, wie sie war, barg die Höhle religiöse Gegenstände und Kunstwerke vieler verschiedener Jahrhunderte, aber überall herrschte das Thema des Tantra vor. Der riesige Raum war voll von Liebenden in Form von Statuen. Tausend Jahre alte Malereien zierten die Wände, verblasst und zerfurchtet von Rissen, aber noch immer voller Leben. Selbst die Decke war bemalt.
Räucherstäbchen und Blumengeschenke schmückten die Füße der Abbilder Bodhisattvas auf ihrem Weg zur Erleuchtung. Flackernde Votivkerzen warfen seltsame Schatten auf die friesartigen Halbreliefs, als würden sich die kleinen Steinfiguren tatsächlich bewegen und tanzen.
Obwohl die feuchte, dunkle Atmosphäre in der Höhle das Gefühl erweckte, tief unter der Erde in einem steinernen Sarkophag begraben zu sein, verlockten einen die lustvollen Bilder überall, das Leben zu umarmen, solange es währte.
Carpe Diem. Zumindest war das Georgies Interpretation dessen, was sie sah.
Ian musste einen ähnlichen Gedankengang gehegt haben, denn er hielt plötzlich inne und drehte sich zu Georgie um. „Wie ist Ihre Mutter gestorben? “
„Auf einer Erholungsreise“, erwiderte sie überrascht.
„Es war ein tragischer Unfall. “ Georgie schwieg einen Moment lang. „Sie ertrank. “
Ein seltsamer Ausdruck - der Schock vermutlich - er- schien auf seinem Gesicht und verschwand gleich wieder. Seine Miene wirkte angespannt. „Das tut mir sehr leid. “ Sie zuckte die Achseln, ihre Empfindungen gegenüber diesem katastrophalen Verlust waren noch immer ambivalent. Lange hatte in ihrem Herzen die Trauer mit dem Zorn über den Fehler gerungen, den ihre Mutter an jenem Tag begangen hatte. Die reine Verschwendung. „Sie unternahm mit einer ihrer Freundinnen eine Exkursion, und sie gelangten an einen Fluss, der vom Monsunregen über-
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