Eine tollkuehne Lady
gewesen, um den lästigen Prinzen zu vertreiben - und es hatte gewirkt. Aber, ach, wie echt hatte es sich einen Moment lang angefühlt. Und wie selbstverständlich er den Arm nach ihr ausgestreckt hatte...
Sie holte tief Atem, um sich zu beruhigen, und blickte dann hinauf in den Himmel. Es war ihr unmöglich zu erklären, wie der Marquess of Griffith seit dem ersten Tag ihrer Bekanntschaft so sehr ihre Gedanken beherrschen konnte. Von Anfang an war sie gefesselt gewesen, und nachdem sie erkannt hatte, dass er ein zutiefst moralischer Mensch war, war ihre Faszination nur noch größer geworden. Jetzt lastete seine letzte Äußerung, dass er seine Frau verloren hatte, schwer auf ihrem Herzen und weckte in ihr den Wunsch, ihn zu trösten.
Gefährliche Sehnsüchte. Vor allem, wenn sie nur zu genau wusste, wie bestimmend er sein konnte.
Und dennoch verlockte und verführte die Erinnerung an seine Berührung sie, schien ihr zuzuflüstern, dass all die erotischen Geheimnisse, die ihr so lange verborgen geblieben waren, endlich enthüllt werden könnten von diesem rätselhaften Mann.
Sie bemühte sich sehr, seine Wirkung auf sie abzuschütteln. Sie versuchte, sich zu entspannen, und den betörenden Londoner aus ihren Gedanken zu verbannen, straffte die Schultern und begab sich auf die Suche nach ihren Freundinnen.
Sie fand Meena und Lakshmi plaudernd am Lotusbecken, wo sie die Füße im Wasser baumeln ließen und Süßigkeiten aßen. Ein paar Kerzen brannten, und die kleinen Flammen warfen tanzende Glanzlichter auf das Wasser.
Georgie streifte ihre Satinschuhe ab, zog die Strümpfe aus, raffte die Röcke und gesellte sich dazu. Das kühle Wasser half ihr, ihren Herzschlag zu verlangsamen, und bald gelang es ihr, nicht mehr die ganze Zeit an Lord Griffith denken zu müssen.
Fast zwei Stunden verbrachte sie mit den Freundinnen, während sie sich gegenseitig erzählten, was in den letzten Stunden alles passiert war. Georgie fiel es noch immer schwer, sich daran zu gewöhnen, dass Lakshmi ihr Haar kürzer trug als Gabriel.
Als Lakshmi beschloss, sich zurückzuziehen, müde von den Aufregungen des Tages, blieben Meena und Georgie allein zurück. Die lebhafte und gesprächige Prinzessin verbrachte die meiste Zeit damit, die Tugenden ihres Gemahls zu preisen, doch das machte Georgie nichts aus.
Zuvor hatte sie erwogen, Meena einige Fragen zu stellen über die Erfahrung der körperlichen Vereinigung mit einem Ehemann, doch jetzt brachte sie das nicht fertig. Sie wollte nicht wissen, wie der Maharadscha von Janpur als Liebhaber war. Nur dieser verflixte Engländer hatte diese fixen Ideen in ihr geweckt, und bei diesem Thema konnte Meena ihr nicht helfen.
Schließlich hatte Meena alles gesagt über den unerschöpflichen Charme ihres Mannes und beschloss, ebenfalls schlafen zu gehen. Georgie aber fühlte sich noch ruhelos. Sie küsste Meena zum Abschied auf die Wange, wünschte ihr eine gute Nacht und saß noch eine ganze Weile allein unter den Sternen und hing ihren Gedanken nach.
Es war wirklich traurig, dass der Marquess seine Frau verloren hatte. Sie fragte sich, welche Art von Frau er wohl für sich selbst gewählt hatte. Zweifellos eine wohlanständige Londoner Miss, irgendeine blaublütige Aristokratin.
Sie seufzte und stand auf, schlüpfte wieder in ihre Schuhe, verzichtete aber auf die Strümpfe und strich dann durch das Labyrinth der Gänge im Harem.
Hier kann sich ein Mensch verlaufen, dachte sie und wollte sich nicht eingestehen, dass sie tatsächlich durch alle Gucklöcher spähte und in alle Gitter lauschte, in der Hoffnung irgendwo Lord Griffith im Palast zu entdecken.
In einem der langen, dunklen Gänge im oberen Stockwerk blickte sie durch ein kleines Fenster und sah direkt auf den Platz am Ende der ansteigenden Straße, über den sie gekommen war, als sie den Palast betreten hatte.
Der Mond erhellte das Geschehen und Georgie erkannte die Umrisse einiger Wächter, die ihren Pflichten nachkamen. Auch einige Dienstboten eilten umher und nutzten die kühleren Nachtstunden, um ihre Aufgaben zu verrichten, fegten den gepflasterten Boden und kümmerten sich um die Fackeln.
Von ihrer erhöhten Position aus hatte Georgie überdies eine gute Sicht auf den von Fackeln erhellten königlichen Tempel, der die Ostseite des Platzes beherrschte. Sehr groß war er nicht, aber reich verziert, schmal und hoch, mit einem pyramidenförmigen Dach. Nicht weit davon entfernt stand der mit schmiedeeisernen Gittern versehene
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