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Eine Trillion Euro

Titel: Eine Trillion Euro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eschbach Andreas
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Brutalität ihrer Verhaftung flicken lassen musste. Ob sie sich dessen erinnert?
    Ich spiele mit Farben und Stiften, ich stelle sie so brav und schön dar wie ein wirkliches Bildnis. Wie jedermann sich vorstellen kann, habe ich eine gewisse Erfahrung mit solchen Übungen. Immerhin so viel, dass mein Geist sich während der Arbeit leicht auf dem Cursor der Zeit vor- und rückwärts bewegen kann. Ich sehe sie wieder vor mir, mit Kokarde und grünen Bändern geschmückt und in dem damals noch unversehrten Kleid mit Tupfen auf hellgrauem Grund, die Schultern in einen zartrosa Schal gehüllt. So war sie vor Marats Tür erschienen, nachdem ich sie darüber in Kenntnis gesetzt hatte, dass der große Mann nicht mehr in der Nationalversammlung saß. Ich musste ihr alles sagen.
    Marat, selbst Arzt, war leidend. Zurückgezogen pflegte er zu Hause mit Bädern den schweren Ausschlag – die abscheuliche Lepra, wie Charlotte es nannte –, der seinen Körper zerfraß. Ach, Charlotte, wenn ich wollte, könnte ich aus dem Gedächtnis deine Gestalt nachzeichnen, wie du dich in der Rue des Cordeliers vorgestellt hast, um die Bereitwilligkeit der Getreuen Marats zu erzwingen. Erkennst du mich denn nicht? Ich saß im Nachbarzimmer und faltete die Ausgabe des Publiciste de la République Française. Vielleicht weißt du es nicht, aber das war inzwischen der Name des alten L’Ami du Peuple … Charlotte, hast du denn nicht meinen Schatten wahrgenommen? Ich folgte dir, als man dich in Marats Zimmer einließ. Nein, du hast mich nicht erkannt. Du stehst auf und näherst dich mir, dem Maler Hauer, um mich für die Skizze zu einem Auftragswerk zu loben … Dein Körper verströmt einen betörenden Duft nach Parfüm und Schweiß.
    Soll ich den Mord beschreiben? Um mit Charlotte zu sprechen, an deren süße Wangen ich soeben denken muss: Die Artikel und Werke der Geschichtsschreiber werden ausreichend angemessene Beschreibungen liefern. Die Gehässigkeit dieses Mannes, den man am liebsten mit den schlimmsten Namen bezeichnen möchte, den Namen aller Girondisten, die unter die Guillotine gehören, Charlotte, die sich nähert und ein an ihrem Busen gewärmtes Messer aus der Korsage zieht, den Arm hebt und zusticht. Das Einzige, was Marat von sich gibt, sind plötzlich einsetzende Blähungen. Das alles wissen wir in groben Zügen aus übereinstimmenden Berichten.
    Aber vielleicht leitet sich die Wahrheit auch aus winzigen Verzerrungen in der Wiedergabe des Ablaufs ab. Zwar schätze ich das in der Herstellung befindliche Porträt nicht besonders, das eine kolorierte Zeichnung zur wahren Charlotte erklärt, umso mehr Wert gestehe ich dem kurzen Artikel eines gewissen Doktor Cabanes zu, der mehr als hundert Jahre später aus medizinhistorischer Sicht ein bestimmtes Problem beleuchten wird: Der Dolchstoß der Charlotte Corday. Er äußert sein Erstaunen darüber, dass ein zartes junges Mädchen einen derart präzisen und heftig von oben nach unten geführten Dolchstoß ausführen konnte. Trotz der schrägen Stoßrichtung hatte sie unter dem rechten Schlüsselbein sowohl Aorta als auch Vorhof getroffen – das deutete auf medizinisches Expertentum hin.
    Der Stoß war so schwierig, dass es Professor Lacassagne, der sich auf den Autopsiebericht während der Gerichtsverhandlung stützte, nicht gelang, ihn im Experiment zu wiederholen … Ein außergewöhnlicher Dolchstoß, aber meines Erachtens durchaus realisierbar, wenn man gebildet ist und sich mit den Eigenarten des menschlichen Körpers auskennt. Das möchte ich bestätigen und anschließend Namen nennen: Kommissar Lebas, der bei Marat Zeitungen faltete und dessen Körperkraft nicht zu leugnen war; ich selbst, denn jeder an der Akademie ausgebildete Maler, denen Jean Jacques Hauer unbedingt zuzurechnen ist, muss Anatomiestunden belegt haben. Ach Charlotte, noch wäre Zeit, die Dinge zurechtzurücken und deinen Platz einzunehmen. Wenn ich könnte … Aber du bestehst auf deiner Rolle und ich auf meinem Meisterwerk, während Schritte den Korridor entlang kommen.
    Ich wollte, ich hätte für dich wenigstens eine winzige Ecke des Schleiers lüften können, der mein Geheimnis verbarg. Ich habe gehört, wie du dich beklagtest, weil der von dir so hoch geschätzte Gustave Doulcet nicht auf das Billet geantwortet hat, in dem du ihn um die Sicherstellung deiner Verteidigung gegen die Hinterhältigkeit des Anklägers Fouquier-Tinville batest. Aber es ist mir unmöglich, mich zu verdoppeln, zumal in ein

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