Eine Trillion Euro
selbst werde den Friedensdienern Eure Anordnungen überbringen.«
Barabaroux lauschte der Stimme, die trotz ihres Ungestüms eine gewisse zarte Musikalität nicht verbergen konnte. Sein Blick schweifte von der geschnitzten Holzvertäfelung des Salons, einer Erinnerung an den früheren Luxus des inzwischen leergeräumten Hotels, zu dem jungen Mädchen vor ihm, einer nicht besonders hoch gewachsenen Revolutionärin in feinster Gala.
»Ich werde euch ein Empfehlungsschreiben an Lauze de Perret mitgeben, Mademoiselle, dessen Tür euch sicher offen steht. Darin werde ich ihn bitten, euch bei allen administrativen Schritten im Hinblick auf Eure exilierte Freundin zur Seite zu stehen, der ihr helfen wollt. Damit ist der offizielle Grund für eine Reise nach Paris gerechtfertigt. Überdies werde ich euch eine Reihe Briefe anvertrauen, von denen wahrscheinlich das Geschick der gesamten Nation abhängt.«
Mit diesen Worten wandte Barabaroux Charlotte sein Gesicht zu, das so jugendlich wirkte wie das eines Knaben, der von Feen bewacht wird. Während er ihr die versprochenen Dokumente aushändigte, verspürte er in der Annahme dieser nicht erbetenen Hilfe einen Augenblick ungetrübten Glücks, einen Stillstand im Kommen und Gehen des Erfolgs, den ihm sein Leben in der Öffentlichkeit bescherte. Gleich Gustave Doulcet und Augustin Leclerc empfand er, wie ihm dadurch, dass er sie als Spielball für seine Sache einsetzte, die Frau entglitt, die seine Tage hätte beglücken können. Wäre nicht der Druck dieser spartanischen Zeiten gewesen … »Ihr werdet mir doch schreiben, nicht wahr? Versprecht mir, von Eurer Reise und dem Erfolg Eurer Mission zu berichten.«
Wenn Charlotte Wort hielte, wäre bereits alles vorüber. Sie würde ihren Brief in Gefangenschaft beginnen, in einer engen Zelle der Abtei, wo bereits der Girondist Brissot eingesessen hatte. Beenden würde sie ihn in einem Verlies der Conciergerie als Nachfolgerin von Madame Roland. Auf sieben Seiten, auf denen nicht ein einziges durchgestrichenes Wort zu finden war, bewies sie die völlige Freiheit eines Geistes, der seinen Traum auslebte. Sie berichtete Barabaroux von einer Reise, in deren Verlauf sie fast nur schlief, weil die Marat-freundlichen Sprüche ihrer Reisegenossen sie so sehr einlullten. Ein besonderes Augenmerk würde Charlotte einem Mitreisenden angedeihen lassen, der sich ungünstigerweise in sie verliebt hatte und ihr sein Vermögen und seine Hand offerierte. Einem Mann, der ihren Worten gemäß »zweifellos hauptsächlich schlafende Frauen liebte«. Ich lese den Brief und erinnere mich, dass ich, indem ich ihr in dieser grotesken Komödie den Hof machte, ernsthaft und in einem letzten Aufbäumen versucht hatte, in zufällig eintretenden Lebensformen einen Grund für Dauer zu finden.
Was nun diese Hinrichtung angeht, die wir eigentlich Mord nennen müssten, weil wir so oft im Vorhinein darüber gesprochen hatten, so berichtet Charlotte darüber nur wenig. »Sie werden aus den Zeitungen davon erfahren«, zieht sie vor, an Barbaroux zu schreiben, als ob sie den Journalisten ein wenig von ihrem Vertrauen bewilligen würde oder bei ihnen die Option auf Wahrheit vermutete. Es handelt sich durchaus nicht um Ironie, wie manche Leser des Briefes vermutet haben. Ich erkenne den wahren Bruch bei meiner süßen Charlotte: Sie will sich nicht an den schrecklichen Augenblick erinnern, in der die Klinge den Leib des Monsters durchbohrte und sein Blut das trübe Wasser der Badewanne färbte. Sie leidet an der zwangsläufigen Amnesie eines Menschen, der sich undeutlich im Verdacht hat, seiner Illusion nicht gerecht geworden zu sein. Und ich weiß, wovon ich rede.
Den Augenblick, in dem der Urteilsspruch fällt, verbringe ich mit ihr in ihrem Verlies in der Conciergerie. Ich stelle mich ihr als Jean-Jacques Hauer vor, und sie erkennt mich als denjenigen, der bereits während des Prozesses Skizzen von ihr zu Papier gebracht hat. Ich befinde mich auf ihre eigene Bitte hin bei ihr. Sie hatte sich gewünscht, ein auf Miniaturen spezialisierter Maler möge ein Porträt von ihr anfertigen. Und so arbeite ich, halte mit kundiger Hand ihren klaren grauen Blick, ihre gerade Nase und dieses wunderbar gefurchte Kinn fest, das mich schon immer erregt hat. Einmal mehr ertappe ich sie bei ihrer Koketterie. Sie trägt das normannische Häubchen, auf das sie seit Beginn ihrer Haft bestanden hat, und zeigt sich voll Stolz in dem Rüschenkleid, dessen Korsage sie nach der
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