Eine Trillion Euro
Anthologie. Wobei wir getrost davon ausgehen dürfen, dass jemand, der mit einem Inquisitor auf vertrautem Fuße lebt, auch vor Dämonen nicht zurückschreckt …
Flucht aus dem Brutkasten
von Valerio Evangelisti
1 Kampf in der Hölle
Das Geschwader der Dämonen hob sich schwarz gegen den roten Himmel über der mauretanischen Wüste ab. In gewissen Abständen riss jede der gigantischen Kreaturen ihren Schnabel auf und ließ einen erstickten und so markerschütternden Schrei ertönen, dass er jedem menschlichen Wesen beim bloßen Hören sofort den Verstand geraubt hätte. Doch in dem Heer, das langsam zwischen den Sanddünen vorrückte, gab es nicht viele Menschen: höchstens einige wenige Brigaden. Die meisten der in den Kampf verwickelten menschlichen Wesen besaßen Körper, deren metallische Bestandteile das lebende Gewebe bei weitem übertrafen und die Menschen gegen Schmerzen unempfindlich machten. Die Divisionen allerdings, auf die es in diesem Krieg wirklich ankam, setzten sich aufseiten von Euroforce aus den so genannten Mosaikos und auf der Seite von R.A.C.H.E. aus Poliploiden zusammen. Dabei handelte es sich um Kunstwesen, die im Fall der Mosaikos aus Leichenteilen zusammengeflickt waren; die Kämpfer der R.A.C.H.E. die Poliploiden, waren hingegen lebende Wesen, deren innere Organe man künstlich auf ein abnormes Maß vermehrt hatte. Nur Soldaten dieser Art, die entweder bereits tot oder vollständig schwachsinnig waren, konnten den Anblick der unwirklichen Kreaturen ertragen, die sich am Himmel gegenseitig zerfleischten.
Von seinem im Sand verborgenen Bunker aus verfolgte General Vogelnik von der R.A.C.H.E. über eine Reihe von Monitoren den Fortschritt der Kampfhandlungen und schüttelte verdrossen den Kopf.
»Unsere Poliploiden haben zwar nur noch eine rudimentäre Seele, aber die ist anscheinend immer noch zu menschlich. Als eben einer dieser Dämonen ein wenig näher gekommen ist, war unsere Vorhut drauf und dran, das Weite zu suchen. Wenn irgendwann ein echter Inkubus auftaucht, bekommen sie vermutlich wirklich Angst.«
Leutnant Bilich, der vor den Kontrollpaneelen saß und den Bildausschnitt regelte, wiegte seinen von Aluminiumadern durchzogenen Kopf.
»Darüber würde ich mir keine allzu großen Sorgen machen. Die Mosaikos sind offenbar noch anfälliger. Es scheint, als ob sich in dem toten Fleisch, aus dem sie zusammengesetzt sind, Erinnerungen erhalten können. Wenn die unsere Halluzinationen zu Gesicht bekommen, werden Sie sehen, dass sie durchaus nicht immun gegen Entsetzen sind.«
»Kann schon sein. Deswegen möchte ich ja, dass die Sache mit dem Brutkasten schnell über die Bühne geht.«
In diesem Moment rief ein menschlicher Unteroffizier: »Ihr Wunsch ist schon in Erfüllung gegangen, Herr General. Mein Gott, das hier übersteigt wirklich alles, was ich bisher gesehen habe.«
Sein metallischer Zeigefinger zitterte vor Erregung, als er auf einen der Bildschirme zeigte. Vogelnik folgte seinem Blick und konnte ein erschrockenes Zusammenzucken nicht verhindern.
»Scheiße! Das stellt wirklich alles in den Schatten.«
Über einem Teil des Himmels schwebten extrem bleiche Gestalten von ungeheuren Ausmaßen, die über und über mit schwarzen Pfeilen bedeckt waren. Auf ihren Gesichtern und Körpern lag tödliche Blässe. Jede Gestalt hielt ihr schlagendes Herz in der Hand. In der entsetzlichen Wunde des weit klaffenden Brustkorbs blutete ein Gewirr von blauen und roten Adern. Aus ihren grotesk verlängerten, knochigen Gesichtern starrten erloschene Augen. Der Silhouette nach handelte es sich zweifellos um weibliche Wesen. Aber was die Beobachter am meisten erschütterte, war die entsetzliche Langsamkeit ihres Ganges und der grauenhafte Schmerz, der sich in ihrem Verhalten abzeichnete.
An der Spitze der Gruppe glaubte Vogelnik seine Mutter und seine fünf Jahre zuvor verstorbene Ehefrau zu erkennen. Unwillkürlich stöhnte er auf. Zu seinem Glück erwischte ihn die Irrationalität der Erscheinung nicht unverhofft. Er wusste nur allzu gut, dass jeder der menschlichen Soldaten auf dem Schlachtfeld, und vielleicht sogar einige der nicht-menschlichen Kämpfer, in diesem Moment in den überdimensionierten Trugbildern eine nahe Angehörige erkennen würde.
Auf der Stirn des Leutnants standen dicke Schweißperlen, und auf den Gesichtern der Unteroffiziere spiegelte sich nackte Angst.
»Nicht auf die Bildschirme sehen!«, befahl Vogelnik. »Leutnant, überlassen Sie mir die
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