Eine Überwinterung im Eise
indem sie unter einander glitten, hatten sie das Eisbett, in dem die Jeune-Hardie ruhte, erfaßt; da nun ihr specifisches
Gewicht sie über die Oberfläche des Wassers hinaustrieb, hatten sie eine unberechenbare Gewalt erlangt, und so fand man die
Brigg plötzlich so hoch über das Meer hinausgehoben.
Mit welcher Freude begrüßten die Rückkehrenden das Schiff, die Kameraden und die in gutem Zustande befindliche Einrichtung
auf der Brigg; sie konnten jetzt einem, wenn auch rauhen, so doch erträglichen Winter entgegensehen. Durch die Erhöhung hatte
das Schiff nicht gelitten, es war vollkommen fest und solide und brauchte nur, wenn die Jahreszeit des Thauens gekommen war,
auf einer geneigten Ebene in's Wasser hinabzugleiten.
Aber eine böse Nachricht trübte die sonst so frohe Stunde des Wiedersehens und erfüllte Johann Cornbutte und seine Gefährten
mit Schrecken. Der furchtbare Orkan hatte das Schneemagazin gänzlich zerschmettert und die darin enthaltenen Lebensmittel
nach allen Seiten verstreut und mit fortgerissen, so daß auch nicht der kleinste Theil davon gerettet worden war. Sobald Johann
Cornbutte diese schlimme Kunde erfuhr, durchforschte er mit Hilfe seines Sohnes die Kombüse der Brigg, um sich zu vergewissern,wie viel Vorräthe noch vorhanden, und wie sie einzutheilen seien.
Das Thauen konnte erst mit dem Monat Mai eintreten, und bis dahin mußte das Schiff in der Ueberwinterungsbai verbleiben; man
hatte jetzt also noch fünf Wintermonate inmitten der Eisfelder zuzubringen und während dieser Zeit vierzehn Personen zu ernähren.
Nach genau angestellter Berechnung kam der alte Seemann zu dem Resultat, daß er allerhöchstens mit dem Proviant bis zum Augenblick
der Abfahrt reichen konnte, und dies auch nur, wenn die Mannschaft von jetzt an auf halbe Ration gesetzt würde. Die Jagd mußte
also zu Hilfe genommen werden, um reichlichere Nahrung herbeizuschaffen.
Aus Furcht, daß ein ähnliches Unglück sich wiederholen könnte, beschloß man, keine Vorräthe wieder am Lande zu deponiren,
und Alles blieb an Bord der Brigg. Für die neuen Ankömmlinge wurden Betten in dem gemeinsamen Matrosenlogis aufgeschlagen.
Die zurückgebliebenen Seeleute hatten die Zeit der Abwesenheit ihrer Gefährten dazu benutzt, um eine Treppe in's Eis zu hauen,
auf der man bequem bis zum Schiffsverdeck hinauf gelangen konnte.
Dreizehntes Capitel.
Die beiden Nebenbuhler.
André Vasling hatte mit den beiden norwegischen Matrosen Freundschaft geschlossen, und auch Aupic nahm an ihrem Bunde Theil,
hielt sich mit ihnen von der übrigen Mannschaft entfernt und tadelte wie sie laut alle neuerdings getroffenen Maßregeln; aber
Ludwig Cornbutte, der von seinem Vater wieder den Oberbefehl über die Brigg erhalten hatte, und der somit Herr an Bord war,
verstand in diesem Punkt keinen Scherz; er sprach sich, trotz Marien's Bitten, glimpflich mit den Leuten zu verfahren, sehr
entschieden dahin aus, daß er in jeder Beziehung den strengsten Gehorsam verlange.
Nichtsdestoweniger gelang es zwei Tage später den Norwegern, sich einer Kiste mit gesalzenem Fleisch zu bemächtigen, und als
Ludwig Cornbutte die sofortige Rückgabe derselben verlangte, machte Aupic gemeinschaftliche Sache mit den Kerlen, und André
Vasling gab sogar zu verstehen, daß die eingeführte Ernährungsweise nicht länger fortdauern dürfe.
Cornbutte suchte den Unglücklichen nun zu beweisen, daß die getroffenen Maßregeln nur das gemeinsame Interesse im Auge hatten;
aber das war vergebens, die Leute hatten das gar wohl gewußt und nur einen Vorwand zur Auflehnung gesucht. Die beiden Norweger
nun zogen ihre Messer, aberPenellan ließ sich dadurch nicht zurückschrecken, ging auf sie los und entriß ihnen mit Misonne's und Turquiette's Hilfe
die Fleischkiste, ohne daß André Vasling und Aupic, da sie sahen, daß die Geschichte übel ablief, sich hineinmischten. Dennoch
nahm Ludwig Cornbutte den Obersteuermann bei Seite und sagte:
»Andre Vasling, Sie sind ein Schuft! Ich kenne Ihr ganzes Verhalten und weiß sehr wohl, was ich von Ihnen zu erwarten habe;
da auf mir jedoch die ganze Verantwortung für das Wohl der Mannschaft liegt, so erkläre ich Ihnen hiermit, daß ich Jeden mit
eigener Hand erdolchen werde, der es wagt, gegen mich und meine Anordnungen zu conspiriren!«
Marie hatte sich bis jetzt noch nie vor den Gefahren des Eismeeres gefürchtet, aber dieser Haß, von dem sie sich sagen mußte,
daß er
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