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Eine unbegabte Frau

Eine unbegabte Frau

Titel: Eine unbegabte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Burgess
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seinen Teil im Programm zu übernehmen. Am Anfang allerdings brachte er die Personen der Heiligen Geschichte schlimm durcheinander. So hörten sie ihn begeistert beschreiben, wie Jesus alle seine Tiere in eine Arche verladen hatte und mit ihnen über die Wasserfluten ins sichere Bethlehem davonfuhr!
    Gladys war glücklich, daß sie mit Hanna zurechtkam. Mit den vorrückenden Jahren war die alte Missionarin etwas rechthaberisch und diktatorisch geworden. Aber Gladys liebte Yang Cheng und ihre Arbeit und ordnete sich Hanna Lawsons Wünschen unter, um sie zufriedenzustellen — wenn sie nur bleiben durfte! Erst jetzt erkannte sie, wie eng ihr Horizont in England gewesen war, wie stumpfsinnig das Leben der Stubenmädchen im Hause der Younghusband, wie ungenügend die Gottesdienste, die das ganze religiöse Leben umfassen sollten. In Edmonton reichte ihr Interesse kaum über das Ende ihrer Straße hinaus; bei Sir Fr. Younghusband blieb sie, eingefügt in das strenge englische Kastensystem, an die »Personalräume« gebunden. Wie weit und frei war nun dagegen ihr Leben in China!
    In England war Gott schon vor langen Zeiten ein Bündnis mit Bausteinen und Mörtel eingegangen. Man hatte ihn an passender Stelle in den Haushalt eingeordnet; zu angenehmer Stunde, sonntags nach dem Frühstück, konnte er auf eine maßvolle und aufrichtige Andacht rechnen: eine kirchliche Vorspeise, möchte man es nennen, vor der herzhaften Mittagsmahlzeit der Familie. Wenn man Lust hatte, konnte man vor dem Abendessen noch einmal kurz darauf zurückkommen.
    Hier, im unermeßlich scheinenden China, von einsamen Weiten umgeben, die sich nach Norden, Süden, Osten und Westen über Tausende von Kilometern erstreckten — hier wurde sich Gladys des Glaubens, in dem sie lebte, klarer und kraftvoller bewußt.
    Gladys gewöhnte sich daran, mit der Morgendämmerung aufzustehen, denn die Treiber machten sich früh auf den Weg. Diese erste Stunde des erwachenden Tages schenkte ihr eine Fröhlichkeit, die sie nie zuvor gefühlt hatte. Die durchsichtige Luft schien die Düfte und den Frieden der ungeheuren Bergwelt mit sich zu bringen. Im Schimmer des jungen Lichts hörte sie die Laute der Frühe: Hahnenschrei, Hundegebell, Kinderstimmen, das Scharren der Maultierhufe auf den Steinplatten im Hof. All das drang in ihre Seele wie die ersten Klänge einer geliebten Symphonie. Aus den Häusern stieg der Rauch langsam in die stille Luft und strich an der schrägen Stadtmauer hinauf, um sich dann im hellerwerdenden Himmel zu verlieren. Die Sonne ging auf, und immer neue, immer andere Grate und Gipfel hoben sich als scharfe Silhouetten in ihr brennendes Rot.
    Es war kühl. Nebel verschleierte noch die Täler und zog in leichten Girlanden um die Hügel. Bald herrschten Hitze und Staub und weckten in den Stadtmauern den Lärm. Aber diese frühen Stunden hatten ihre eigene Schönheit, die Gladys immer wieder bannte.
    Sie lernte bald auch die Treiber, die Träger, die Kulis besser kennen und verstehen. Anfangs meinte sie überall dasselbe Gesicht zu sehen, die gleichen sehnigen Körper, untereinander zum Verwechseln ähnlich, zeitlos verwoben mit dem alten chinesischen Land.
    Auf dem kiesigen Weg, der sich in zahllosen Biegungen, steigend und fallend, durch die Berge wand, führten sie ihre Tiere, an deren Packsätteln rechts und links die Lasten hingen: Kohle, Baumwolle, Geschirr, Eisenwaren. Getreide wurde nicht mit Maultieren befördert, weil es deren Geruch annahm; es mußte von den Menschen selbst über die Berge getragen werden. Gebeugt gingen die Kulis unter ihren Schulterstangen, an denen sie auf jeder Seite fünfzig Pfund Korn schleppten. Der Verkehr zwischen weit entlegenen Siedlungen war nur durch die zähe Kette menschlicher Bindeglieder möglich, von denen doch jedes seinen eigenen Charakter, sein eigenes Schicksal hatte. Dunkle, sonnengegerbte Gesichter waren es, mit engen Schlitzaugen und zottigem blauschwarzem Haar; die meisten groß wie alle Nordchinesen, dabei hager und stark. Die Berge und die Maulesel waren ihre Welt; von dem Land hinter dem Gebirge wußten sie kaum, daß es da war. Es waren zufriedene, einfache Menschen. Am Schluß des Tages eine Mahlzeit aus der Schüssel, ein Platz auf dem warmen Backsteinbett — mehr begehrten sie nicht. Sechs Wochen dauerte die Reise, oft auch drei Monate. Und an jedem Ende ihres Weges wartete auf sie ein kleines Haus, eine Frau und Kinder! Das Leben der Treiber erinnerte ein wenig an das der Seeleute — bei

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