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Eine unbegabte Frau

Eine unbegabte Frau

Titel: Eine unbegabte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Burgess
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trug das leichte Gepäck; sie gingen zusammen durch das Stadttor die Straße hinunter zu dem Freund, der ein Maultier hatte. Für ein paar Münzen war der Handel perfekt, und mit Kummer im Herzen zog sich Gladys auf den harten Holzsattel hinauf. Es war keine fröhliche Reise, und nicht einmal der alten Mrs. Smith in Tsechow gelang es, Gladys aufzuheitern.
    »O Fräulein Aylward«, sagte sie, »nehmen Sie’s nicht so tragisch. Man muß Hanna Lawson nehmen, wie sie ist. Ein oder zwei Tage ist sie ganz aus dem Häuschen; nachher ist alles vergessen. Genießen Sie Ihre Ferientage, meine Liebe, und dann gehen Sie wieder zurück. Denken Sie an meine Worte: Hanna wird überglücklich sein, wenn Sie wieder bei ihr sind.«
    »Aber wenn sie mich nun nicht zurückhaben will?« sagte Gladys, und ihre Stimme verriet ihre tiefste und geheimste Furcht. »Ich habe kein Geld. Mitten in China sitze ich fest; und nach England will ich nicht zurück.«
    »Machen Sie sich nur keine unnötigen Sorgen«, besänftigte sie Frau Smith. »Es kommt alles wieder in Ordnung. Nur nicht die Flinte ins Korn werfen. Wir kennen Hanna. Ich würde mich gar nicht wundern, wenn sie einen Extraboten nach Ihnen schickte.«
    Die Voraussage traf ein. Schon drei Tage später, am frühen Morgen, kam ein Bote vom Yamen der Stadt. Er haspelte aufgeregt seine Botschaft herunter; Gladys bemerkte, daß Frau Smith plötzlich sehr ernst wurde. »Die Geschichte hört sich ziemlich sonderbar an«, sagte sie besorgt. »Anscheinend hat Hanna Lawson einen Unfall erlitten.«
    Eine furchtbare Ahnung benahm Gladys fast den Atem. »Was sagt er?«
    »Er sagt, daß man Hanna verletzt auf der Straße gefunden hat, und — und —«
    »Und —?« rief Gladys angstvoll.
    »Daß sie im Sterben liegt, irgendwo weit fort von Yang Cheng«, schloß Frau Smith. »Ich weiß wirklich nicht, was ich davon halten soll.«
    »Aber wo denn, wo?« rief Gladys außer sich.
    Mit ein paar schnellen Fragen wandte sich Frau Smith an den Mann. Aber der zuckte die Achseln. Er konnte nur wiederholen, was gleichgültig und ungenau durch Boten übermittelt worden war.
    Gladys weinte. »Es ist meine Schuld«, jammerte sie. »Ich hätte sie nicht verlassen sollen! Ich muß sofort zurück!«
    »Regen Sie sich nicht unnötig auf«, sagte Mrs. Smith ruhig und freundlich. »Wir suchen gleich ein Maultier und einen Führer, dann können Sie unverzüglich abreisen und nach ihr sehen. Ich glaube sicher, daß alles wieder in Ordnung ist, bis Sie in Yang Cheng sind. Wir haben Erfahrung mit solchen Botschaften: sie kommen oft ganz entstellt und verzerrt an.«
    Und wieder packte Gladys in höchster Erregung ihre Habseligkeiten zusammen. Bald darauf ritt sie auf ihrem Maultier durch das Tor des Missionsgebäudes, drehte sich noch einmal zu Frau Smith um und winkte ihr einen Abschiedsgruß zu. Plötzlich fühlte sie einen fremden Strohhut auf ihrem Kopf. Es war der Pförtner, der ihr den seinen aufgesetzt hatte.
    »Wenn Ihnen die Sonne zwei Tage auf den Kopf brennt«, rief er, »werden Sie wohl kaum guten Muts bleiben. Also: viel Glück!« Die Hügel, die Berghänge, durch die sie zogen, waren mit Heckenrosen ganz bedeckt. Unvergeßlich blieben Gladys die Wolken von Duft, die sie auf dieser Reise begleiteten. Im Dorfe Chautsun übernachteten sie. Nach der Botschaft, die sie in Tsechow erreicht hatte, mußte Gladys annehmen, daß Hanna in die Berge gereist war. Es schien also unnötiger Zeitverlust, sie in Yang Cheng zu suchen, und der Treiber schlug deshalb eine Seitenstraße ein, die einen Umweg durch mehrere mauerumfaßte Dörfer nahm. Überall fragten sie, ob man von der alten Dame gehört habe, aber niemand wußte etwas von ihr. Am vierten Tag ritten sie in der Abenddämmerung auf das befestigte Städtchen Shin-Schui zu. Sie hatten einen weiten Kreis um Yang Cheng beschrieben und trafen nun wieder auf die Große Maultierstraße. Vor dem Tor begegneten sie einem Mann, der soeben die Stadt verließ, und auch ihn hielten sie mit der Frage an, die sie nun schon hundertmal auf ihrer Reise gestellt hatten. Ja, er hatte von der alten Fremden gehört. Sie lag schwerkrank in einer Herberge in Shin-Schui. Sicher war sie inzwischen bereits gestorben.
    Gladys und ihr Treiber eilten in die Stadt und fragten dort weiter. Das Haus, in welchem der »fremde Teufel« lag, war nicht schwer zu finden, das Ereignis bildete den Hauptgesprächsstoff der Einwohner. Als sie durch den Torweg der Herberge traten, sahen sie schon Hanna Lawson

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