Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eine unbeliebte Frau

Titel: Eine unbeliebte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
Vom Netzwerk:
hatte den Eindruck, dass sie Ihnen sehr viel bedeutet hat.«
    Kampmann hob den Blick und starrte Bodenstein an. Seine Augen waren blutunterlaufen und glänzten stark.
    »Ich habe sie gemocht«, antwortete er. »Sie hat mir viel geholfen, mich aber im Gegensatz zu allen anderen nie unter Druck gesetzt. Ich war gerne mit ihr zusammen, das war alles. Als Frau wäre sie mir viel zu anstrengend gewesen.«
    »Weshalb waren Sie am Samstag noch einmal bei ihr?«, erkundigte sich Bodenstein.
    »Ich habe ihr das Geld gegeben, das sie noch zu bekommen hatte«, flüsterte Kampmann, »und ich wollte sie davon überzeugen, nicht nach Argentinien zu gehen, denn ich fürchtete, sie würde niemals lebend dort ankommen.«
    »Wieso das?«
    »Sie hatte diese Fotos, mit denen sie Marianne Jagoda erpressen wollte. Ich habe sie angebettelt, es nicht zu tun, aber sie war fest davon überzeugt, die Jagoda würde ihr für dieFotos einfach so zweihundertfünfzigtausend Euro geben und sie dann in Ruhe lassen.«
    »Isabel hat Marianne Jagoda erpresst?«, fragte Bodenstein nach.
    »Ja«, Kampmann nickte. »Irgendwie hatte sie herausgefunden, dass die Eltern von Marianne Jagoda damals nicht bei einem Unfall gestorben waren, sondern durch Brandstiftung. Sie bekam Fotos in die Hände, mit denen sie das angeblich beweisen konnte, und ging damit zur Jagoda. Die versprach ihr das Geld. Aber ich war mir ganz sicher, sie hatte niemals vor, Isabel wirklich Geld zu geben.«
    Bodenstein und Pia blickten sich an. Wenn das stimmte, hatte Marianne Jagoda gelogen.
    »Was spielte sich am 27. August wirklich ab?«, wollte Bodenstein wissen. Kampmann schloss für einen Moment die Augen, dann öffnete er sie wieder und begann leise zu sprechen.
    »Als ich mittags nach Hause kam«, sagte er mit gepresster Stimme, »fiel meine Frau wie eine Furie über mich her. Sie wusste, dass ich bei Isabel gewesen war, und beschimpfte mich, dann fuhr sie wutentbrannt weg. Abends kam Isabel auf den Hof. Sie wollte mit ihrem Mann reden, aber der hat sie gar nicht beachtet. Dann versuchte sie, Döring zu erreichen. Ich sagte zu ihr, ich hätte ein ungutes Gefühl und sie solle sich auf gar keinen Fall mit der Jagoda treffen. Aber sie erwiderte, sie wolle noch das versprochene Geld haben, bevor sie am nächsten Morgen nach Buenos Aires fliegen würde. Da beschloss ich, hinter ihr her zu fahren, denn ich habe echt Angst um sie gehabt. Marianne Jagoda ist keine Frau, die sich erpressen lässt.«
    Kampmann brach ab. Er brauchte eine Weile, bis er weitersprechen konnte.
    »Ich fuhr also nach Ruppertshain, ging hoch zu Isabels Wohnung. Sie schrie mich an, sagte, sie brauche das Geld undich würde ihr alles verderben«, Kampmann seufzte wieder. »Plötzlich standen Karol und die Jagoda in der Wohnung. Da war mir klar, dass ich recht gehabt hatte mit meiner Befürchtung.«
    Kampmanns Stimme versagte, er kämpfte mit den Tränen. Sein eingefallenes Gesicht war wie versteinert. Bodenstein war zum ersten Mal, seitdem er ihn kannte, davon überzeugt, dass er die Wahrheit sagte.
    »Ich bekam Angst«, flüsterte er. »Karol stürzte sich auf Isabel. Sie schrie, ich solle ihr helfen, aber ... aber das tat ich nicht. Ich stand einfach so da und habe gesehen, wie er sie umgebracht hat. Die Jagoda sagte zu mir, sie wisse alles über mich und Isabel. Wenn . wenn ich mich in Zukunft wie ein deutscher Schäferhund benehmen würde, würde mir nichts passieren.«
    »Wie ein deutscher Schäferhund?«, fragte Pia überrascht. »Klappe halten und gehorchen.« Er seufzte tief.
    »Karol hat Isabel eine Spritze gegeben«, fuhr er dann fort, »die Jagoda sah zu. Dann sagte sie, sie müsse weg und ich solle Karol helfen, die Wohnung zu durchsuchen und anschließend gründlich zu reinigen. Wenn ich auch nur einen Ton über das, was ich gesehen hatte, sagen würde, würde mir dasselbe passieren wie Isabel. Daran habe ich keine Sekunde gezweifelt. Was hätte ich auch tun sollen? Isabel war tot.«
    Für einen Augenblick herrschte Schweigen in dem Krankenzimmer. Kampmann atmete schwer. Die Erinnerung an jenen Samstagabend schien ihm schwer zu schaffen zu machen.
    »Was passierte dann?«, fragte Bodenstein unerbittlich.
    »Wir haben die Wohnung geputzt. Isabel hatte es ihnen ja leicht gemacht und alle Sachen schon für ihre Abreise am nächsten Tag in Koffer gepackt. Karol hat Isabels Leiche in eine Folie gewickelt und in die Tiefgarage getragen«, KampmannsStimme zitterte. »Er legte sie in den Kofferraum ihres Autos.

Weitere Kostenlose Bücher