Eine unbeliebte Frau
clever und kaltschnäuzig.«
»Meinst du, dass er selber noch Geld hat?«, fragte Pia.
»Man munkelt in der Branche, er habe über Strohmänner Inhaberaktien verkauft, weil er es selbst als Vorstandsvorsitzender nicht durfte«, bestätigte Ralf. »Aber es gibt auch Gerüchte, dass die JagoPharm eigentlich insolvent ist und die Staatsanwaltschaft sich dafür interessiert. Beweise gibt es allerdings keine. Ich habe auch gehört, dass dieses Krebsmedikament wohl wirklich kurz vor der Zulassung steht, und wenn das passiert, ist Jagoda womöglich aus dem Schneider und kann seinen Laden konsolidieren.«
»Weshalb sollte sich die Staatsanwaltschaft für Jagoda interessieren?«, fragte Bodenstein.
»Insiderhandel«, Ralf hob die Schultern, »verdeckte Gewinnausschüttungen, Verstöße gegen das Börsengesetz, Betrug, Insolvenzverschleppung . alles Mögliche wird spekuliert.«
»Dann sitzt er ziemlich in der Tinte«, sagte Pia.
»Man darf ihn nicht unterschätzen«, erwiderte Ralf. »Dieser Mann ist chemisch gereinigt. Die JagoPharm hat ihn zwar in die Schlagzeilen gebracht, aber auch so muss er nicht am Hungertuch nagen, denn seine Frau ist die Alleinerbin der größten hessischen Privatbrauerei. Drescher-Bräu, habt ihr vielleicht schon mal gehört.«
Bodenstein warf seiner Kollegin einen raschen Blick zu. Wie konnte das Ostermann entgangen sein?
»Marianne Jagoda erbte vor ein paar Jahren alles, als ihre Eltern bei einem Hausbrand ums Leben kamen.«
Während des Essens wandte sich das Gesprächsthema in eine andere Richtung, aber Bodenstein dachte über das Gehörte nach. Es konnte nichts schaden, wenn sich seine Leute auch etwas um Jagoda kümmerten. Ohne sagen zu können weshalb, beschlich ihn das Gefühl, dass hinter dem Fall, an dem er gerade arbeitete, mehr steckte als nur ein Mord.
Donnerstag, 1. September 2005
Als Bodenstein auf dem Kommissariat eintraf, fand er seine Mitarbeiter bei der morgendlichen Besprechung am Tisch des Konferenzzimmers.
»Was gibt es für Neuigkeiten?«, erkundigte er sich und setzte sich an das Kopfende des Tisches.
»Hier«, Ostermann schob ihm das Radarfoto vom 27. August hin. Bodenstein betrachtete es eine Weile, dann reichte er es Pia Kirchhoff.
»Das ist eine Frau«, sagte sie. »Der Beifahrer ist nicht zu erkennen. Schade.«
»Was gibt es über das Kind?«, fragte Bodenstein.
»Beinahe fünfhundert Hinweise«, Kathrin Fachinger, die Leiterin der SoKo »Marie«, seufzte. »Wir gehen allen Spuren nach, aber bisher war nichts dabei. Wir wissen, dass das Mädchen in einem Kindergarten in Kelkheim angemeldet war, aber seit August war sie nicht mehr dort. Die Nachbarin, die uns Kerstner als gelegentliche Babysitterin genannt hat, hat die Kleine seit dem Tag, an dem Isabel sie bei ihr abgeholt hat, nicht mehr gesehen.«
Bodenstein nickte.
»Übrigens«, sagte er dann, »Kerstner kommt definitiv nicht als Täter in Frage.«
Er schilderte seinen Mitarbeitern die gestrige Szene in der Pferdeklinik.
»Über Döring habe ich ein paar nette Sachen herausgefunden«, meldete sich Ostermann zu Wort und blätterte in dem Stoß Papier, der vor ihm lag. »Am 16. Januar wurde einer von Dörings LKW, der aus Italien kam, in Basel vom Zoll gefilzt. Laut Zollpapieren hatte er Apfelsinen und so was geladen, aber die Kollegen von der Zollfahndung fanden zwischen dem Obst elf Kilo Heroin und drei Liter reinen Opiumsaft. Die ganze Ladung wurde beschlagnahmt, der Fahrer verhaftet. Die Stellungnahme von Spedition Döring war lapidar: Der Fahrer hätte wohl auf eigene Rechnung versucht, Rauschgift zu schmuggeln. Der Mann, ein Deutscher italienischer Herkunft, wurde im August zu zwei Jahren verknackt. Wahrscheinlich sitzt er zwei Drittel der Strafe ab, der Rest geht auf Bewährung.«
Alle lauschten ihm aufmerksam.
»Im Mai«, fuhr Ostermann fort, »wurde in England ein Container gefunden, in dem siebzehn tote Inder lagen. Erstickt. Die Ladung in dem Container – Lebensmittel – wurde auch durch Dörings Spedition versendet. Und dann haben wir noch einen ganz aktuellen Fall: In Belgien wurde ein Kühlzug gestoppt, der umdeklariertes Rindfleisch aus England geladen hatte. Auftraggeber war wieder mal die Spedition Döring. Spitze, was?«
»Kriminell«, bemerkte Bodenstein nachdenklich. »Konnte man Döring selbst etwas nachweisen?«
»Wo denken Sie hin? Er schiebt das immer auf Subunternehmer und Fahrer. Und er kommt damit durch, denn es gibt keine Beweise. Bei all diesen Sauereien stoßen
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