Eine unbeliebte Frau
unsere Leute nur auf eine Mauer des Schweigens. Die halten alle zusammen. Wahrscheinlich kassieren die Fahrer Schweigegeld, sitzen die Strafe ab und machen dann weiter.«
Ostermann kratzte sich mit einem Kugelschreiber am Hinterkopf.
»Außerdem«, endete er, »wurde Döring 1998 wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt. Er zahlte eine saftige Strafe und musste deswegen nicht sitzen. Dazu kommen ein paar Vorstrafen wegen Trunkenheit am Steuer und Fahren ohne Führerschein. Außerdem ist er wegen Körperverletzung mit Todesfolge vorbestr...«
»Stopp!«, sagte Bodenstein, und Ostermann blickte auf.
»Das interessiert mich. Haben Sie's auch genauer?«
»Klar«, Ostermann nickte und blätterte wieder, »hier ist es. Am 12. Oktober 1982 wurde er wegen schwerer Körperverletzung mit Todesfolge zu 240 Tagessätzen á zweihundertfünfzig Mark und zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt, weil er seine damalige Ehefrau Carmen Juana Döring zusammengeschlagen hat. Die Frau erlitt schwerste Hirnblutungen, fiel ins Koma und starb nach ein paar Tagen. Die Staatsanwaltschaft hatte erst auf Totschlag plädiert, aber das konnte Dörings Anwalt abbiegen. Er hatte zur Tatzeit einen Blutalkoholgehalt von 2,8 Promille. Sein Anwalt kriegte es hin, dass er wegen Schuldunfähigkeit nicht mal in den Knast musste.«
»Sauber«, bemerkte Pia sarkastisch. »Auf jeden Fall ist jetzt nachvollziehbar, weshalb Kerstner Anna Lena Döring schützen wollte. Zweifellos sind die beiden über Dörings Vergangenheit im Bilde.«
Bodenstein rieb sich nachdenklich die Nasenwurzel mit Zeigefinger und Daumen.
»Haben Sie auch schon etwas über Jagoda in Erfahrung gebracht?«
»Ja«, Ostermann kramte in seinen Unterlagen. »Die Jago-Pharm AG ist so gut wie pleite.«
»Haben sie bereits einen Insolvenzantrag gestellt?«, erkundigte sich Bodenstein.
»Nein«, Ostermann schüttelte den Kopf, »und das ist seltsam, denn vor vier Monaten stellten zwei Aktionäre Strafantragwegen Betruges, und seine Hausbank rückte ihm auf die Pelle. Aber diese Aktionäre zogen ihre Anzeigen zurück, und im Juli versorgte ihn seine Bank mit einem neuen Millionenkredit.«
»Das klingt aber wirklich seltsam«, Pia dachte an das, was ihr Schwager gestern erzählt hatte. Es gab offenbar massive Gerüchte, aber nichts geschah. Andere Firmen, die noch vor sechs oder sieben Jahren so spektakuläre Start-ups wie die Jago-Pharm hingelegt hatten, gab es schon gar nicht mehr, und ihre Manager waren vor den Augen der Öffentlichkeit vom Olymp des Größenwahns in die Niederungen der Gerichtssäle gezerrt worden. Wie war es Jagoda gelungen, sich und seine bekanntermaßen marode Firma bis heute vor diesem Schicksal zu bewahren? Warum zogen Aktionäre Strafanträge zurück?
»Solange er noch dicke Autos fahren kann, wird es nicht so schlimm sein«, bemerkte Behnke. »Der hat seine Schäfchen sicher lange im Trockenen.«
»Was ist mit der Drescher-Bräu?«, fragte Bodenstein.
»Die haben mehrere Geschäftsführer«, antwortete Ostermann. »Außer Marianne Jagoda sind es noch drei andere. Hans Peter Jagoda hat mit der Firma nichts zu tun.«
»Okay«, Bodenstein nickte, »bleiben Sie da dran. Versuchen Sie, mehr über Jagodas private Vermögensverhältnisse herauszubekommen, und nehmen Sie Kontakt mit den Leuten vom Betrugsdezernat in Frankfurt auf. Vielleicht wissen die etwas mehr über diese Sache.«
Er hielt inne, denn plötzlich fiel ihm etwas ein. Die Stimme auf der Mailbox von Isabel Kerstner hatten sie bisher noch überhaupt nicht weiter beachtet! Dörings Stimme war es nicht, aber konnte es Hans Peter Jagoda gewesen sein? Es war an der Zeit, mit dem Mann zu sprechen, um herauszufinden, in welcher Beziehung er zu Isabel Kerstner gestanden hatte.
Friedhelm Döring war nicht in seiner Firma, sondern zu Hause.
Die Haushälterin öffnete Bodenstein und Pia die Tür, und Letztere staunte nicht schlecht, als sie in der gewaltigen Empfangshalle der palastartigen Villa stand, in der ein etwa fünf Meter hohes und drei Meter breites modernes Gemälde in düsteren Farben als Blickfang an der Wand hing. Auf dem spiegelblanken Marmorboden hallten Schritte, dann erschien Döring mit einer Aktentasche und Autoschlüsseln in der Hand.
Er wirkte ausgesprochen gutgelaunt.
»Ah!«, sagte er leutselig. »Die Kripo. Womit kann ich Ihnen dienen?«
Bodenstein nahm oben auf der Balustrade eine Bewegung wahr und blickte hoch. Er traute seinen Augen kaum, als er Anna Lena Döring
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