Eine unbeliebte Frau
Zigarette mit ein paar Zügen bis zum Filter.
»Wo waren Sie gestern Abend zwischen achtzehn und einundzwanzig Uhr?«, fragte Bodenstein.
»Er wa hier«, mischte sich die Frau mit einem drohenden Unterton ein, »er wa hier und hat sich net aus'm Haus gerührt. Los, Mann, sag denen schon, dass es so wa!«
»Ja, ich wa hier, echt«, Jäger nickte heftig, »hab Fernsehn geguckt.«
»Ihr Auto wurde gestern Abend gegen Viertel vor sieben gut zwanzig Kilometer von hier entfernt gesehen«, Pia verschränkte die Arme vor der Brust. »Wie erklären Sie sich das?«
»Hab's 'nem Kumpel geliehen«, Jägers Blicke schweiften durch den Raum. »Mach ich öfter. Ich krieg dann 'ne Tankfüllung dafür.«
»Gut. Dann seien Sie doch bitte so freundlich und teilen uns jetzt den Namen Ihres Freundes mit«, sagte Bodenstein. »Wo befindet sich das Fahrzeug jetzt?«
»Unten auf'm Parkplatz, hoff ich«, Jäger deutete mit dem Daumen abwärts.
»Den Namen von deinem Kumpel, Mann«, erinnerte Pia, die ihre Ausdrucksweise mühelos den gegebenen Gepflogenheiten anzupassen vermochte.
»Ich weiß nich genau, wie der heißt«, druckste Jäger, »die sagen alle Teddy zu dem.«
»Du verleihst dein nagelneues Auto an einen Typen, von dem du nicht mal weißt, wie er heißt?« Pia riss die Augen auf. »Willst du uns verarschen, oder was?«
»Nee, echt nich! Is aber so, stimmt's?«, er warf seiner Frau einen hilfesuchenden Blick zu.
»Der Teddy war 'n Arbeitskollege von meim Mann, von vorm Knast«, sagte sie, »der is echt okay. Hilft uns imma ma.«
»Aha. Und wo hast du gearbeitet? Vor dem Knast, meine ich«, Pia wurde allmählich ungeduldig.
»Bin LKW gefahren.«
»Das hatten wir schon. Die Firma. Na los.«
»Spedition Döring in Eschborn.«
Während sie auf den Personalchef der Spedition Döring warteten, genehmigte Bodenstein sich einen Espresso. Herbert Rückert war Anfang fünfzig, ein dicker Mann mit einer spiegelnden Glatze und dem roten Gesicht eines Menschen, der unter Bluthochdruck leidet.
»Wir möchten mit einem Mitarbeiter von Ihnen sprechen, der Teddy genannt wird«, sagte Bodenstein, nachdem er sich vorgestellt hatte. »Die Empfangsdame wusste nicht, um wen es sich handelt, aber Sie, als Personalchef, sind doch sicherlich auch mit den Spitznamen Ihrer Leute vertraut.«
Dem dicken Mann stand das Unbehagen ins Gesicht geschrieben.
»Wir hatten mal einen Fahrer, der so genannt wurde«, sagte er nach einer Weile zögernd. »Aber der ist nicht mehr bei uns.«
»Oh«, sagte Bodenstein ungerührt, »uns würden sein richtiger Name und die letzte Adresse fürs Erste ausreichen.«
»Ich bin nicht befugt, Auskünfte zu erteilen«, begann Rückert reserviert.
»Sie sind befugt«, sagte Pia verärgert. »Sie sind sogar verpflichtet. Wir ermitteln nämlich in einem Mordfall.«
Auch Bodenstein verging seine beinahe sprichwörtliche Geduld.
»Name und Adresse«, sagte er knapp und ohne seine übliche Höflichkeit. »Sonst kriegen Sie eine Anzeige wegen Behinderung der Polizei. Also, etwas flott jetzt bitte!«
Personalchef Rückert zeigte sich eingeschüchtert. Er ging hinter den Empfangstresen, nahm den Telefonhörer und beauftragte jemanden damit, die letzte Anschrift eines Theodor van Eupen herauszusuchen. Drei Minuten später verließen Bodenstein und Pia das Gebäude.
»Mir ist nach Pasta, Rotwein und einem geplatzten Alibi zumute«, sagte Bodenstein auf dem Weg zum Auto. Pia warf ihrem Chef einen erstaunten Blick zu. Er reichte ihr den Autoschlüssel.
»Wir fahren nach Königstein ins ›Limoncello‹«, verkündete er. »Wissen Sie, wo das ist?«
»Ja«, Pia setzte sich hinter das Steuer des BMW. Auf dem Weg zu dem italienischen Restaurant tätigte Bodenstein drei Anrufe. Er beauftragte Behnke und Ostermann damit, den Polizeicomputer über Philipp Döring alias Felipe Durango, Manfred Jäger und Theodor van Eupen zu befragen. Eine weitere telefonische Anfrage bei den Bewachern von Friedhelm Döring ergab, dass dieser mit dem Taxi in sein Haus gefahren war und offenbar nicht vorhatte, dasselbe zu verlassen. Kerstner war noch nicht wieder vernehmungsfähig, sein Gesundheitszustand ernst, aber nicht lebensbedrohlich. Bodenstein machte sich mittlerweile ernsthafte Sorgen um Anna Lena Döring, denn eine Rückfrage bei ihrem Bruder hatte ergeben, dass sie weder bei ihm noch bei ihren Eltern aufgetaucht war.
»Wieso ein geplatztes Alibi?«, erkundigte Pia sich bei ihrem Chef, als sie die Treppenstufen zum Eingang
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