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Eine unbeliebte Frau

Titel: Eine unbeliebte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Jagodas Verhaftung noch nichts gewusst, und nun dämmerte ihm, wie nah er selbst am Abgrund stand.
    »Sie werden mich jetzt nach Frankfurt ins Leichenschauhaus begleiten«, Bodenstein blickte auf seine Uhr. »Gestern Nacht wurde nämlich die Leiche einer Frau aus dem Main geborgen, und wir nehmen an, dass es sich dabei um Ihre Frau handelt.«
    »Sie können mich nicht zwingen!«, protestierte Döring.
    »Doch, das kann ich«, Bodenstein öffnete die Tür seines Autos, »bitte sehr, Herr Döring.«
     
    Eine halbe Stunde später stand Friedhelm Döring mit verkniffener Miene im hellen Neonlicht eines der Sektionssäle im Rechtsmedizinischen Institut und starrte auf die grausam entstellte und noch immer unbekannte Frauenleiche. Mit einem Ruck wandte er sich ab. Bodenstein beobachtete ihn scharf, war aber in Gedanken ganz woanders. Er war kein Mann, dessen Ego es nötig hatte, dass ihm die Frauen nachliefen, aber zweifellos hatte er sich von Thordis' unmissverständlichem Ansinnen irgendwie geschmeichelt gefühlt. Was wäre geschehen, wenn er sich dazu hätte hinreißen lassen, sie zu küssen? Was hätte sie getan, wenn er .
    »Warum zwingen Sie mich dazu, mir irgendwelche toten Leute anzusehen?«, riss ihn Dörings Stimme aus seinen Gedanken.
    »Ist das Ihre Frau?«, fragte Bodenstein.
    »Nein, verdammt«, Döring schüttelte heftig den Kopf, »das ist sie nicht. Ich werde mich beim Innenminister persönlich über Sie und Ihre Methoden beschweren, Bodenstein! Das ist Psychoterror, was Sie da machen!«
    »Weshalb sind Sie sicher, dass es sich bei der Toten nicht um Ihre Frau handelt?«
    »Meine Frau wurde am Blinddarm operiert«, antwortete Döring scharf. »Ich kenne den Körper meiner Frau. Die da ist viel zu dick. Kann ich jetzt gehen?«
    »Natürlich«, Bodenstein bemühte sich, Döring seine Erleichterung nicht anmerken zu lassen. »Wenn Sie wollen, kann ich Sie nach Hause fahren lassen und .«
    »Sparen Sie sich Ihr Gesülze«, unterbrach Döring ihn. »Das wird ein Nachspiel für Sie haben, das verspreche ich Ihnen.«
    Bodenstein zuckte die Schultern und öffnete die Tür zum Gang.
    In der Eingangshalle erblickte er seine Kollegin im intensiven Gespräch mit ihrem Noch-Ehemann, der bereits einen grünen Kittel über seinem Anzug trug. Bodenstein verließ das Gebäude des Rechtsmedizinischen Institutes. Döring ließ ihn grußlos stehen und kramte sein Handy aus der Hosentasche. Bodenstein blickte ihm nach, wie er telefonierend die Straße überquerte und zu einem Taxistand ging. Pia erschien neben ihm.
    »Und?«, fragte sie.
    »Sie ist es nicht. Gott sei Dank. Aber ab jetzt werden wir den Kerl nicht mehr aus den Augen lassen.«
    »Unsere Leute sind schon an ihm dran«, Pia wies mit einem Kopfnicken auf einen silbernen Opel, in dem ein Mann und eine Frau in Zivilkleidung saßen. Ihr Handy summte.
    »Oh, hallo, Herr Dr. Rittendorf«, sagte sie, dann lauschte sie eine ganze Weile, bis sie sich bedankte und das Gespräch beendete.
    »Was wollte er?«, erkundigte sich Bodenstein, aber Pia tippte schon wieder eine Nummer ein.
    »Sofort«, murmelte sie. Sie gab ein Autokennzeichen durch, dann blickte sie auf.
    »Gestern Abend um Viertel vor sieben fiel einem Mann aus Ruppertshain, der mit seinem Hund im Feld spazieren war, ein dunkelgrüner Jeep Cherokee auf, der auf dem Feldweg hinter der Tierklinik stand. Der Mann ist gehbehindert, und weil ihm das Auto den Weg versperrte, klopfte er an die Scheibe. Der Fahrer machte das Fenster nur einen kleinen Spalt auf und sagte dem Mann, er solle sich dünnmachen. Er trug eine Sonnenbrille, obwohl es fast schon dunkel war.«
    »Ach«, machte Bodenstein ungläubig.
    »Der Mann war eben bei Rittendorf, um sich darüber zu beschweren. Er beschwert sich wohl dauernd über Kunden der Pferdeklinik, die dort parken, aber er war so aufmerksam, sich das Kennzeichen des Autos zu merken.«
    Noch bevor Bodenstein und Pia ihre Autos erreicht hatten, erhielt Pia die Nachricht, wer der Halter des dunkelgrünen Cherokee war.
    »Manfred Jäger«, wiederholte sie laut, »Tonisenderstraße 124 b in Sossenheim. Alles klar. Danke.«
    »Na«, sagte Bodenstein, »den sollten wir wohl mal besuchen.«
     
    Manfred Jäger wohnte in einem der hässlichen Wohnblocks in einem tristen Viertel von Sossenheim, das allgemein als sozialer Brennpunkt bekannt war. Auf engstem Raum lebten die Menschen in Sozialwohnungen, viele waren arbeitslos, und der Ausländeranteil war so hoch wie sonst nirgendwo in Frankfurt.

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