Eine unbeliebte Frau
zweihundertachtundfünfzigtausend Treffer, was daraus resultierte, dass dieser Name im Spanischen ungefähr so geläufig war wie Karl Müller. Nachdem die Suche etwas eingegrenztworden war, hatte Ostermann sich auf einen Felipe Durango konzentriert, der zweiunddreißig Jahre alt und argentinischer Staatsbürger war. Seine Produktionsfirma mit dem bezeichnenden Namen »Neue Horizontal« mit Hauptsitz in Buenos Aires hatte unter anderen eine Dependance in Frankfurt und stellte billige Pornofilme am Fließband her, vorwiegend in Rumänien und der Tschechei. Döring hatte sich nicht aus dem Haus gerührt, die Bewachung wurde aber fortgesetzt. Danach hatte jemand mit unbekannter Nummer fünfmal angerufen, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Bodenstein legte das Handy zur Seite, ging zur Couch im Wohnzimmer und legte sich hin. Lorenz war so freundlich gewesen, den Hund mitzunehmen. Er schloss die Augen und zwang seine Gedanken, die nun sieben Stunden Auszeit gehabt hatten, wieder um den Fall Isabel zu kreisen. Hoffentlich hatte er sich im Eiswasser der Badewanne nicht eine Erkältung oder Schlimmeres geholt! Allmählich wärmte sich sein Körper wieder auf, das Blut kribbelte schmerzhaft in Händen und Füßen. Er war schon wieder halb eingedöst, als zwei Dinge zur gleichen Zeit geschahen: Es klingelte an der Tür, und in derselben Sekunde krachte irgendetwas mit einem ohrenbetäubenden Klirren durch die große Glasscheibe des Wohnzimmers und knallte gegen seinen Kopf. Bodenstein stand vor Schrecken sofort senkrecht neben der Couch und tastete nach seinem Kopf. Sein Herz klopfte zum Zerspringen. Diesmal zitterte er nicht vor Kälte, sondern vor Schreck. Er ging zur Haustür und öffnete sie. Sein Herz machte einen weiteren, wilden Satz. Vor ihm stand Inka Hansen. Ihr ungläubiger Blick glitt an seinem Körper hinab und wieder hoch zu seinem Gesicht.
»Inka!«, rief er überrascht und fragte sich, ob er vielleicht doch noch schlief und nur träumte. »Was machst du denn hier?«
»Empfängst du Besuch an der Haustür immer so?«, fragte sie. Irritiert blickte Bodenstein an sich herunter und merkte, dass er bis auf die Unterhose splitternackt war.
»Du siehst ja aus, als hättest du einen Geist gesehen«, sagte Inka, als er sie ins Haus gelassen hatte.
»Ich bin in der Badewanne eingeschlafen«, gab Bodenstein zu. »In dem Augenblick, als du geklingelt hast, ist irgendetwas durch das Wohnzimmerfenster geflogen und hat mich am Kopf getroffen.«
Er tastete nach der Beule und sah Blut an seinen Fingern. Erst jetzt fiel ihm ein, wie leichtsinnig es von ihm gewesen war, einfach so die Haustür aufzureißen, ohne sich vorher zu vergewissern, wer oder was ihn dort erwartete. Inka drückte entschlossen auf den Lichtschalter und betrat furchtlos das Wohnzimmer. Die große Glasscheibe war in Trümmern, die Glassplitter lagen auf dem ganzen Boden verteilt. Inka bückte sich und hob einen Stein auf.
»Bleib besser da stehen«, Inka wandte sich um. »Hier ist alles voller Splitter.«
Bodenstein betrachtete den Stein in ihrer Hand. Hatte dieser Steinwurf ihm gegolten? Noch nie in zwanzig Jahren bei der Kripo hatte ihn jemand persönlich bedroht! Bodenstein schauderte bei dem Gedanken, dass sich jemand die Mühe gemacht hatte, herauszubekommen, wo er wohnte, und dann in seinen Garten eingedrungen war. Wer hatte ein Interesse daran, ihn einzuschüchtern? Inka watete durch das Scherbenmeer und ließ den Rollladen an dem zerstörten Fenster herunter. Sie warf ihm einen scharfen Blick zu.
»Du blutest«, stellte sie fest. »Lass mich mal gucken.«
Sie gingen in die Küche. Er setzte sich auf einen Küchenstuhl.
Inka schob sein Haar auseinander und begutachtete die Wunde.
»Es ist nur ein Kratzer«, sagte sie. »Du solltest etwas Eis draufpacken, sonst hast du morgen eine ordentliche Beule.«
»Mach ich«, Bodenstein blickte sie an. »Warum bist du eigentlich hier?«
»Ich habe ein paarmal versucht, dich zu erreichen«, sagte Inka.
»Mein Akku war leer«, antwortete Bodenstein, »ich meine ... der Akku meines Handys ...«
»Na, deiner wohl auch«, Inka lächelte. »Offenbar hast du die ganze letzte Nacht in Damenbegleitung verbracht.«
Bodenstein starrte sie sprachlos an.
»W... wie ... was ... woher weißt du das?«, stotterte er.
»Meine Tochter hat es mir erzählt. Sie ist ganz beeindruckt von dir.«
Bodenstein kapierte. Meine Tochter. Thordis. Ich bin Amerikanerin. Diese Ähnlichkeit hatte er sich also nicht nur
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