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Eine unbeliebte Frau

Titel: Eine unbeliebte Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Die Häuser, die dringend wieder einen frischen Anstrich gebrauchen konnten, waren mit Graffiti beschmiert, sogar vor den Mülltonnen und Haustüren hatten die Sprayer nicht Halt gemacht, die Hausverwaltungen hatten irgendwann kapituliert. Von dem hellen Sonnenlicht drang kein Strahl zwischen die tiefen Häuserschluchten, es hätte genauso gut neblig sein können. Bodenstein verspürte das schlechte Gewissen, das ihn jedes Mal ergriff, wenn ihn sein Beruf in Gegenden wie diese führte. Wie entsetzlich musste es sein, ohne jede Perspektive in einem solchen Wohnblock zu wohnen! Pia suchte ein paar Minuten auf der Klingelanlage, die auch teilweise beschmiert war, die Klingel von Manfred Jäger. Eine unfreundliche Frauenstimme meldete sich.
    »Hier ist die Polizei«, sagte Pia. »Wir möchten zu Manfred Jäger.«
    Zwei Minuten verstrichen, bevor der Türsummer ertönte.Das Haus war von innen möglicherweise noch deprimierender als von außen. Der ehemals wohl glänzende Fliesenfußboden war stumpf, es roch nach verschiedenstem Essen, nach abgestandenem Bier und Urin. Die Wände waren in einem undefinierbaren Farbton gestrichen und ebenfalls voller Graffiti. Am Aufzug hing ein Schild mit dem Hinweis, dass die Reparaturarbeiten noch andauern würden. Erboste Bewohner aus den oberen Stockwerken hatten ihrem Zorn an der Metalltür freien Lauf gelassen. Sie stapften die Treppe hoch in den siebten Stock. Hinter der Wohnungstür, die nur einen schmalen Spalt geöffnet war, erwartete sie eine Frau in einem abgeschabten Bademantel, die ein quengelndes Kleinkind auf dem Arm hielt.
    Sie war nicht älter als fünfundzwanzig, sah aber doppelt so alt aus. Eine billige Dauerwelle hatte ihr Haar verdorben, der verrutschte Bademantel verströmte den Geruch von altem Schweiß. Das Kind trug nichts anderes als eine Windel, und es schien dringend ein Bad zu benötigen. Im Hintergrund tauchten noch zwei andere Kinder auf.
    »Kommse rein«, die Frau drehte sich um und schlappte in ausgetretenen Plüschpantoffeln den düsteren Flur entlang bis in ein Wohnzimmer, das mit Krimskrams und schäbigen Möbeln derart vollgestopft war, dass Bodenstein und Pia den Mann, der vor dem Fernsehapparat saß, erst kaum wahrnahmen.
    »Die Bullen«, verkündete die Frau mit scharfer Stimme. »Was hastn schon wieder gemacht?«
    Manfred Jäger war ein schmächtiger Bursche Mitte dreißig mit einem nervösen Frettchengesicht und fettigen schulterlangen Haaren. Er grinste unsicher und drückte seine Zigarette in einem überquellenden Aschenbecher aus.
    »Ich hab nix gemacht«, verteidigte er sich, bevor Bodenstein oder Pia auch nur den Mund aufgemacht hatten. »Seitich aus'm Knast raus bin, hab ich nix gemacht. Da könnse meine Bewährungshelferin fragen, echt.«
    Bodenstein fragte sich, wie sich dieser Mann, der nur knapp oberhalb der Armutsgrenze zu leben schien, einen vierzigtausend Euro teuren Cherokee-Jeep leisten konnte.
    »Besitzen Sie einen Geländewagen mit dem Kennzeichen F-X 122?«, fragte Pia. Die Augen des Mannes flogen hin und her, sein Adamsapfel hüpfte nervös an seinem mageren Hals auf und ab.
    »Klar, das is unser Auto«, ließ sich die Frau vernehmen. »Wenn we auch sons nix ham, aber 'n dickes Auto muss es sein.«
    Sie lachte bitter, und ihr Mann zog eine Grimasse.
    »Ganz schön teuer so ein Cherokee, oder?«, fragte Pia. »Wie können Sie sich so ein Auto leisten?«
    »Mann, ich hab ma echt gut Geld verdient«, Jäger wischte sich mit dem Unterarm über die Nase, »hab 'n guten Job gehabt.«
    »Wo haben Sie denn gearbeitet?«, erkundigte sich Bodenstein und hoffte, man würde ihm sein Unbehagen nicht allzu deutlich ansehen.
    »Bin LKW gefahren. Vierzigtonner. War in ganz Europa«, Jäger tastete nach seinem Zigarettenpäckchen und zündete sich wieder eine Zigarette an. Er rauchte hastig.
    »Aha«, Pia nickte, »und weshalb sind Sie verknackt worden?«
    »Hab Mist gebaut. Echt blöde Sache. Aber ich hab's abgesessen.«
    »Könnten wir mal bitte die Wagenpapiere sehen?«, bat Bodenstein und erntete dafür einen misstrauischen Blick. Jäger pulte ein abgegriffenes Portemonnaie aus der Gesäßtasche seiner Jeans und reichte ihm den Kfz-Schein anstandslos.
    »Wow«, Pia pfiff durch die Zähne, »der ist ja nagelneu! Erstzulassung Juli 2005!«
    »Ja, Mann, echt abgefahren«, Jäger grinste und entblößte dabei nikotingelbe Zähne.
    »Und wie haben Sie das Auto bezahlt?«, fragte Pia. Das Grinsen verschwand schlagartig. Der Mann rauchte die

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