Eine unberührte Welt
wirkliche hältst? Riesige Räume. Atemberaubende Gebäude. Schwebende Städte, wie großartig. Wände aus Marmor, die man in Wände aus Holz oder Glas oder Jade verwandeln kann. War das subatomare Manipulation? Unfug – simple Computergrafik. Es gibt kein Nährgas – du wurdest hier künstlich ernährt, und auch die Abfallprodukte deiner Verdauung wurden abgeleitet. Die Kapazität des Computersystems hätte nicht ausgereicht, auch noch Nahrungsmittel in der nötigen Detailtreue darzustellen. Deswegen sahen die Bäume aus wie geklont – weil es nur eine Hand voll Varianten gibt. Deswegen gab es keine Vögel, keine Tiere, kein Laub auf den Wegen. Das hätte das System überfordert.«
»Die Tiere können ausgestorben sein. Die Bäume können tatsächlich geklont sein. Ich glaube dir nicht. Das war kein Computerspiel. Es war alles wirklich, was ich erlebt habe.«
»Was glaubst du denn – seit du eingefroren wurdest, haben wir die Technik natürlich weiterentwickelt. Enorm weiterentwickelt.« Cohanurs Blick wanderte in eine ungewisse Ferne. »Zuletzt haben wir fast nichts anderes mehr getan.«
»Was ist mit Sex?«, fragte Adison. »Ich hatte Sex. Jede Menge Sex. Wie willst du das erklären?«
Cohanur sah ihn wieder an, winkte ab. »Ach was. Eine direkte Verbindung zwischen deinem Thalamus und dem des anderen, das ist die einfachste Sache der Welt.«
»Den anderen?« Adison horchte auf. »Es gibt also andere?«
»Natürlich. Komm, sieh sie dir an.«
Cohanur half ihm, aufzustehen, und obwohl es ihm unangenehm war, musste er sich von ihm stützen lassen. Sie wankten ein paar Schritte bis zu einem grauen Vorhang, den der Mann mit der freien Hand beiseitezog.
Zuerst erkannte Adison überhaupt nichts, und als ihm klar wurde, was er sah, wurde ein Brechreiz schier übermächtig. Es war ein bleicher, aufgedunsener Leib, vage erkenntlich als der einer Frau, der da auf einer Liege lag wie verdorbener Hefeteig. Die Bänder und Tücher, mit denen sie umwickelt gewesen war, klafften auf, enthüllten knotige Brüste und verfaulende Finger, die geschlossenen Augenlider waren verschwollen und vereitert, der halb offene Mund vertrocknet. Und doch zuckte es in diesem Leib, erschauerten die deformierten Fleischmassen von wilden Träumen. Sie lebte, lebte in der Illusionswelt, die ihr die Haube auf dem haarlosen Kopf vermittelte.
»Du kennst sie«, sagte Cohanur. »In der Welt, aus der ich dich geholt habe, trägt sie den Namen Nykis.«
»Nykis!«
»Jemanden wie sie«, fuhr Cohanur fort, »kann man natürlich nie mehr aufwecken. Sie muss in der virtuellen Welt leben, bis ihr Körper endlich versagt.«
Adison musste sich abwenden. Nykis, großer Gott. Er hatte mit dieser Frau geschlafen, besser gesagt, mit ihrem schlanken, ebenmäßigen virtuellen Bild, einer rothaarigen Schönheit, verlockend wie eine Göttin.
»Soll ich dir Elea zeigen?«, fragte Cohanur. »Oder Waanu? Willst du dich davon überzeugen, dass Lisere in Wirklichkeit ein Mann ist?«
Adison schüttelte den Kopf. »Nein. Nein, lass mich. Was soll das alles? Wieso bin ich hier? Angenommen, es stimmt, was du mir sagst – wozu hat man mich dann aufgetaut?«
»Sie wollten Gesellschaft. Die, mit denen du zu tun hattest. Es war ihnen langweilig geworden mit den anderen, und sie wünschten sich jemand Neues.« Cohanur machte eine Handbewegung, die niedrige Halle voller grauer Vorhänge, in der sie standen, umfassend. »Es sind nicht mehr viele Menschen übrig, und es werden keine mehr geboren. Die Eingefrorenen aufzutauen war der einzige Weg, noch ein bisschen Abwechslung zu bekommen.«
Ein furchtbarer Verdacht kam ihm. Adison sah an sich herunter, da, wo es sich nass anfühlte unter den Binden über seinem Bauch. Er schob sie beiseite und sah mit einem elendem Gefühl die Geschwüre, die durch seine Bauchdecke brachen. »Ich bin nicht geheilt«, sagte er. »Man hat mich aufgetaut, und ich bin immer noch todkrank.«
»Ja«, nickte Cohanur. »Und wir schreiben auch nicht das Jahr 3000. Ich weiß nicht mehr genau, welches Jahr wir haben, aber es müsste so um 2100 herum sein.«
»Also habe ich nur hundert Jahre übersprungen statt tausend.«
»Komm. Ich will dir zeigen, was du übersprungen hast.«
Adison schleppte sich, mit Cohanurs Hilfe, eine frostkalte, stinkende Treppe hoch in einen kleinen Raum, in dem ein Bett stand, ein Tisch und ein Stuhl, auf den Cohanur ihn setzte. »Hier wohne ich«, sagte er.
Adison sah sich mit Grauen um. In einem Eck waren große,
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