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Eine unberührte Welt

Eine unberührte Welt

Titel: Eine unberührte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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beeindruckender sein. Der Kopf des Drachen ist eine bizarre Fratze aus Knochenwülsten und dunklen Vertiefungen; auf einmal begreife ich, warum die Chinesen Drachen so darstellen, wie sie es tun. Nur die Augen sind kleiner und außerdem seitlich angesetzt, oder zumindest kommen sie einem klein vor gegen das scheunentorgroße Maul. Ich ducke mich, als der Drache uns überfliegt; diesmal bin ich gewappnet und bleibe stehen. Es riecht verbrannt, beinahe wie die Abgase eines warmlaufenden Düsentriebwerks. Dann ist das unglaubliche Wesen vorbei, schraubt sich mit einem letzten, gellenden Schrei in die Höhe und verschwindet hinter dem Bergkamm. Abgesehen von den brennenden Wracks der Hubschrauber ist alles wieder wie vorher.
    Die Männer jubeln, schreien durcheinander. Ahmad Wahil kennt sogar das englische Wort. »Dragon« , ruft er mir zu und lacht über das ganze Gesicht, das mich immer an ein Bild Dschingis-Khans denken lässt, das ich einmal gesehen habe. Sie sind überzeugt, dass uns nun nichts mehr zustoßen wird und dass wir unser Ziel, die Grenze nach Kashmir, ohne weitere Zwischenfälle erreichen werden. Die Begegnung mit einem Drachen gilt als glückverheißend.
     
    »Und weiter?«, fragte ich, als die dramatische Pause anfing, sich ein wenig zu lange hinzuziehen.
    Er hob die Schultern. »Nichts weiter. Das war es. Wir entkamen über Pakistan, kehrten nach Hause zurück, schrieben unseren Artikel und erregten damit bei weitem nicht so viel Aufsehen, wie wir erhofft hatten.«
    »Und der Drache?«
    »Eine Erinnerung. Wieder mal keine Fotos. Obwohl keine Magie im Spiel war, zumindest vordergründig betrachtet.« Er lächelte. »Pascal hat es nie verwunden, seine Kamera in jenem Moment nicht schussbereit gehabt zu haben. Er hat immer auf eine Gelegenheit gewartet, zurückzugehen. Während des Afghanistanfeldzugs der Amerikaner, kurz vor dem Sturz der Taliban und noch während die Nordallianz vorrückte, ist er mit CNN-Reportern hineingekommen. Er hatte vor, sich in den Norden Afghanistans abzusetzen und eine zweite Expedition über die Seidenstraße zu unternehmen.«
    »So, wie Sie das formulieren, ist daraus nichts geworden.«
    »Das Gebiet, in das er wollte – der östliche Hindukusch, die Wakhan-Region –, war plötzlich Sperrgebiet. Von Gewährsleuten erfuhr er, dass die amerikanischen Streitkräfte dort ausgedehnte militärische Operationen durchführten, angeblich auf der Jagd nach Terroristen. Aber Pascal behauptet, dass das ein Vorwand war. Was sie in Wirklichkeit jagten, war der Drache.«
    »Ach. Und woher wussten die davon?«
    »Ich sagte ja, ein so großes Geheimnis ist das nicht.«
    »Aber sie haben ihn nicht gefunden, oder? Sonst hätte man ihn längst in einem Vergnügungspark ausgestellt. Oder er stünde ausgestopft im Smithsonian Museum.«
    »Mag sein. Andererseits könnte militärische Geheimhaltung eine Rolle spielen. Sie wissen doch, was geschieht, wenn man in Drachenblut badet.«
    »Für so fantasievoll halten Sie amerikanische Militärs?«
    »Es war auch einmal Fantasie nötig, den Bau der Atombombe zu befürworten.« Er beugte sich vor und nahm den Rahmen mit der alten Karte wieder an sich. »Unverwundbarkeit. Ein alter Traum. Es mag fantastisch sein, sich vorzustellen, dass in diesem Moment in irgendeinem geheimen amerikanischen Militärlabor das Blut eines Drachen chemisch und genetisch analysiert wird – völlig auszuschließen ist es nicht.« Er hängte die Karte sorgsam wieder an ihren Platz. »Nein, den Drachen hat Pascal nicht gefunden. Ahmad Wahil lebt nicht mehr, und aus irgendeinem Grund trägt kein Afghane mehr eine dieser Pfeifen oder hat je auch bloß von ihnen gehört. Doch er fand Wahils Sohn, und der führte ihn nach langen Verhandlungen zu einem Nest. Einem erstaunlich kleinen Nest, wie er mir erzählte. Sieben Eier lagen darin. Zwei davon hat Pascal mitgenommen. Dass er mir eines abgegeben hat, werde ich ihm bis an mein Lebensende hoch anrechnen.« Er tätschelte das Ding in dem Ständer unter der Rotlichtlampe, das ich für ein Kunstwerk gehalten hatte.
    »Ein Ei?!«, entfuhr es mir. »Sie wollen behaupten, das ist ein Drachenei ?«
    »Angeblich dauert es fünfunddreißig Jahre, bis das Junge schlüpft. Falls meine simple Installation hier überhaupt ein hinreichender Ersatz ist.« Er betrachtete die Lampe, als befielen ihn erstmals Zweifel. »Wie auch immer, ich werde das kaum noch erleben. Aber Sie vielleicht. Und dann hätten Sie den Beweis, den Sie suchen.«
    Es

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