Eine undankbare Frau
weil sie es lustig finden.«
J ohnny saß auf seinem Bett und lauschte den Geräuschen aus der Küche. Seine Mutter war aufgestanden und hatte sich angezogen, und jetzt klapperte sie mit den Schubladen und Schranktüren. Manchmal kam es vor, dass sie sich wahnsinnig zusammenriss und eine Mahlzeit zubereitete.
Die Hoffnung stirbt zuletzt, dachte Johnny Beskow. Er war es nicht gewohnt bewirtet zu werden. Da hörte er ihre Schritte im Flur. Plötzlich riss sie die Tür auf und starrte ihn an.
»Du hattest heute eine Tüte bei dir, als du nach Hause gekommen bist«, sagte sie. »Was hast du gekauft?«
»Zwei Filme geliehen«, sagte er. »Unten im Videoladen.«
»Woher hattest du so viel Geld?«
»Hab ich von Opa bekommen«, erklärte er.
»Du hast aber auch immer Geld«, klagte sie. »Tja, manche haben eben mehr Glück als andere.«
Sie entdeckte die Tüte auf seinem Nachttisch, riss sie mit überheblichem Gesichtsausdruck an sich und las die Rückseiten der Videohüllen.
»Das ist bestimmt wieder so ein Dreck«, sagte sie misstrauisch.
»Ja«, sagte er. »Das ist Dreck. Aber es ist unterhaltsamer Dreck.«
Dann ging sie. Sicherheitshalber knallte sie die Tür hinter sich zu, das machte sie immer, um ihre Überlegenheit zu demonstrieren.
Mich gibt es noch . Vergiss das nicht.
Kurz darauf roch es nach Pizza. Da spürte er, dass er Hunger hatte, sich fast ein wenig schlapp fühlte. Oft vergaß er einfach, etwas zu essen. Vor allem, wenn sein Kopf mit ganz anderen Dingen beschäftigt war, wie zurzeit, weil er gerade so kreativ war und diesen Riesenspaß hatte. Während er auf das Essen wartete, schlich er ins Wohnzimmer, schnappte sich die Lokalzeitung, die auf dem Tisch lag, lief zurück in sein Zimmer und schlug sie auf. Er las kreuz und quer, sah sich die Fotos an und entwarf kleine Bauwerke in seinem Kopf, die aber sofort wieder einstürzten, weil ihnen entscheidende Elemente fehlten. Aber er war ein geduldiger Junge und er hatte ja einen Plan. Die Leute werden arbeitslos, ging ihm durch den Kopf. Sie bauen Autounfälle und ertrinken. Sie prügeln sich und begehen Überfälle und streiten sich und schlagen sich gegenseitig tot. Sie heiraten und kriegen Kinder und haben Geburtstag. Werden fünfzig und sechzig und siebzig. Das alles steht in der Zeitung. Was für ein unglaublicher Mitteilungsdrang, fand er. Er las alles noch einmal genau und blieb schließlich an einer Anzeige hängen. Mehrmals las er sie sorgfältig durch, riss sie dann heraus und legte sie in die Nachttischschublade, neben den rosa Schnuller. Für später, dachte er. Dann kniete er sich vor den Meerschweinchenkäfig, der unter dem Fenster stand. Er nahm das kleine Tier heraus und legte sich auf das Bett. Das Meerschweinchen hieß Bleeding Heart, es krabbelte mit blitzschnellen Schritten über seine Brust und seinen Bauch. Nach einigen Runden kuschelte es sich in seine Halsgrube. Die Alte da draußen in der Küche, der könnte man auch mal ordentlich das Maul stopfen. Was meinst du? Wollen wir zum Skarvesjø fahren und einen Hecht angeln? Und dann stecken wir ihn ihr in den Hals, während er noch zappelt. Dann würde sie für eine ganze Weile die Fresse halten. Ich kann mir das sehr gut vorstellen, du auch?
Er legte das Meerschweinchen an seine Wange und Bleeding Heart knabberte ihm mit scharfen Zähnen am Ohrläppchen. Viele wohltuende Bilder kamen ihm in den Sinn: Seine Mutter, der ein riesiger Hechtschwanz aus dem Mund ragte, seine Mutter auf Knien, sie wand sich auf dem Boden und rang nach Atem. Er streichelte mit einem Finger den Kopf des Meerschweinchens. Ihm gefielen der Geruch des kleinen Pelztiers und seine Augen, wie kleine schwarze Perlen.
Die Mutter steckte den Kopf ins Zimmer.
»Steck die Ratte in den Käfig«, sagte sie. »Die Pizza ist fertig.«
Sie war nüchtern und hatte sich sogar angezogen.
Aber er wusste, dass das nicht von Dauer sein würde. Es hielt nur wenige Augenblicke lang, dann stand sie auf, um frische Luft zu schnappen und sich für kurze Zeit anständig zu benehmen, als ob sie ihm beweisen wollte, dass sie auch ein Recht zu leben hatte. Und weil sie nüchtern war, schien sie auch seine Existenz zu bemerken, und ihr fiel ein, dass sie so einiges zu sagen hatte.
Er hasste ihre Sauferei. Er hasste, dass sie immer schlafend auf dem Sofa lag und schnarchte wie eine Säge. Aber wenn sie nüchtern war, verlor er die Kontrolle über sie und sie überrollte ihn mit einer überwältigenden Kraft. Aber die Pizza war
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