Eine undankbare Frau
Mann führte.
Die Mutter beugte sich über den Tisch, als würde sie ein Geheimnis verbinden, und die Gier leuchtete aus ihren trüben Augen.
»Du bist doch so oft bei ihm«, sagte sie. »Da kannst du doch aus ihm mal was heraus kitzeln? Ich meine, wie viel er auf diesem Sparkonto hat?«
Johnny schüttelte den Kopf. Dieses Gerede über das Erbe war ihm unangenehm. Außerdem war er satt, deshalb stand er einfach auf und ging in sein Zimmer. An der Tür hing ein Metallschild, das er einmal für zweihundertfünfzig Kronen in einem Trödelladen gekauft hatte. Es war ein weißes emailliertes Schild mit blauer Aufschrift.
» Silence is Security.
»Ja, vielen Dank auch fürs Essen«, schrie ihm seine Mutter hinterher.
Er schlug die Tür hinter sich zu und setzte sich aufs Bett. Griff in die Nachttischschublade und nahm die kleine Annonce heraus, die er vorhin ausgerissen hatte.
»Erik und Ellinor Mørk aus Kirkeby gratulieren ihrer Mutter, Gunilla Mørk, heute zu ihrem siebzigsten Geburtstag. Wir freuen uns darauf, den Tag mit dir zu feiern. Danke für all die schönen Jahre und alles Gute für die Jahre, die noch kommen.«
Er überprüfte das Datum der Zeitungsausgabe. Dann las er die Anzeige ein weiteres Mal durch. Als er später einen Blick ins Wohnzimmer warf, saß seine Mutter bereits mit einer Bierdose vor dem Fernseher, und gegen Abend war sie wieder auf dem Sofa gelandet. Da schlich er nach draußen zu seiner Suzuki und holte die Schachtel mit dem Rattengift.
A bteilungsleiter Holthemann war schon lange bei der Polizei, er war klug und analytisch. Außerdem war er für den Etat verantwortlich und musste deshalb begründen, wie er die bescheidenen Mittel seiner Einheit verwaltete.
»Derjenige, der den Anschlag auf die Familie Sundelin verübt hat«, sagte er. »Ist der eigentlich als gefährlich einzustufen? Wird er wieder zuschlagen? Müssen wir diesen Fall vorrangig behandeln?«
»Er ist eine verletzte Seele«, sagte Sejer. »Und er hat uns vor einer Hölle auf Erden gewarnt. Er spielt offensichtlich gern mit dem Feuer. Es könnte gefährlich werden, wenn er in die Nähe von Sprengstoff gerät.«
»Was meinst du mit Sprengstoff?«, fragte Holthemann.
»Karsten Sundelin«, erklärte Sejer. »Der steht kurz vor der Detonation.«
Holthemann nahm die Brille ab und legte sie auf den Tisch. Er war ein nüchterner und unsentimentaler Mann und ihm fehlten die emotionalen Fähigkeiten, für die Sejer so bekannt war. Als Verwaltungschef war er unübertroffen. Aber in zwischenmenschlichen Beziehungen, ob mit Verbrechern oder Opfern, versagte er.
»Wo willst du ansetzen?«, fragte er. »Wir müssen diesen Spaßvogel fangen, und zwar bald.«
Da fiel ihm plötzlich eine Geschichte aus seiner Kindheit ein und er erzählte sie Sejer.
»Da ist so ein Typ nachts durch die Gärten der Leute geschlichen«, sagte er. »Mit einer riesigen Schere. Und damit hat er Damenunterwäsche zerschnitten, die auf der Wäscheleine hing. Das ist ja an sich ein fast kindliches Verbrechen. Aber was hat er mit seiner Schere für eine Angst verbreitet. Die Frauen in der Nachbarschaft waren vollkommen außer sich.«
»Ist er denn gefasst worden?«, fragte Sejer.
»Klar doch. Er wurde gefasst. Und er war nur ein harmloser Spinner. Er konnte nicht einmal ein Motiv nennen. Was ist mit der Sache in Bjerketun. Ist das auch ein Spinner, was meinst du?«
»Nein«, entgegnete Sejer. »Dieser hier ist um einiges gescheiter. Das glaube ich zumindest. Meine Großmutter hätte nach zwei Tuborg und einem Gammeldansk gesagt: Er ist vermutlich ein kleiner gerissener Teufel.«
Er wühlte in den Papieren und zog dann eine dicht beschriebene Seite hervor.
Das war Lily Sundelins äußerst detaillierte Beschreibung des schicksalhaften Tages.
Er schwenkte das Blatt hin und her. »Der Schnuller ist verschwunden«, sagte er. »Lustig, was? Grandiose Trophäe.«
»Zeig mir noch mal die Karte«, bat ihn Holthemann.
Sejer holte die Postkarte mit dem Vielfraß aus der Schreibtischschublade. Holthemann musterte das Bild und die Drohung.
»Das wirkt alles so geplant«, sagte er. »Und ist auch ganz schön frech. Du hast ihn durch das Fenster gesehen, habe ich gehört. Was konntest du denn erkennen?«
»Dass er jung und schnell ist«, sagte Sejer. »Ich glaube, er wohnt in Bjerkås, und ich glaube, er hat die Karte im Supermarkt unten am Skarvesjø gekauft. Zumindest ist das eine Möglichkeit.«
»Sorg dafür, dass die Presse nichts von dieser Postkarte
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