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Eine undankbare Frau

Eine undankbare Frau

Titel: Eine undankbare Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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die sie sich mit einer Decke über den Knien und dem Kind auf dem Schoß verkrochen hatte, ein Ort wäre, den sie niemals wieder verlassen wollte. Das alles beunruhigte ihn sehr. Sie war in einer Verfassung, die es ihm unmöglich machte, mit ihr in Kontakt zu kommen, so wie früher … Egal, was er sagte oder tat, es gab keine Verbindung zwischen ihnen, sie hatte ihn ausgesperrt.
    Er hörte das Wasser in der Küche kochen.
    »Ich meine«, sagte er leise. »Andere verlieren wirklich ihre Kinder. Hast du da schon einmal drüber nachgedacht?«
    Er wagte kaum, das laut auszusprechen, konnte es aber auch nicht unterdrücken. Denn Margrete lag im Schoß seiner Frau und war wunderbar und gesund und unversehrt. Lily sah kurz auf. Sie stieß ein seltsames Geräusch aus, wie eine verletzte Katze. Er stand auf, um das Teewasser zu holen. Aber als er in die Küche kam, zog er den Kessel von der Platte und öffnete stattdessen den Kühlschrank. Er kam mit einer Flasche Bier in der Hand zurück ins Wohnzimmer. Lily sah ihn aus großen Augen an.
    »Willst du jetzt Bier trinken?«
    Er hob die Flasche an den Mund.
    »Und wenn wir noch fahren müssen?«, sagte sie aufgebracht.
    Er leerte die Flasche zur Hälfte und stellte sie mit einem Knall auf den Tisch.
    »Warum sollten wir Auto fahren müssen?«, fragte er.
    »Wenn etwas passiert«, sagte sie und wiegte Margrete hin und her.
    »Und was sollte passieren?«, fragte er und sah auf die Uhr. »Es ist vier Uhr morgens.«
    Sie zog die Decke fester um sich, als würde sie ihre Verletzlichkeit demonstrieren wollen.
    »Es kann doch alles mögliche passieren«, sagt sie. »Hast du das immer noch nicht begriffen?«
    Er leerte die Flasche. Sie hat Todesangst, dachte er. Und ich koche vor Wut. Sie sitzt da und schmollt wie ein Kind, und ich sitze hier und knurre wie ein Köter. Das hier kann doch alles nicht wahr sein … Wir sollten schlafen gehen. Wir sollten Margrete ins Bett bringen. Wir sollten weiterleben, es gibt so Vieles, was wir noch vorhatten.
    »Wenn das so weiter geht mit dir, sollten wir dir vielleicht Schlaftabletten besorgen«, schlug er vor.
    »Schlaftabletten?«
    Sie verdrehte die Augen, ein unverschämter Vorschlag.
    »Aber dann bekomme ich doch nichts mit«, sagte sie und wiegte Margrete.
    »Aber ich liege doch neben dir«, widersprach er. »Ich werde von der geringsten Kleinigkeit geweckt, ich passe auf euch beide auf.«
    »Er ist gekommen, während wir gegessen haben«, sagte sie. »Und wir haben nichts gehört.«
    Karsten lehnte sich über den Tisch und sah sie eindringlich an.
    »Ja, Lily, das stimmt. Aber er wird kein zweites Mal kommen. Können wir uns darauf nicht einigen? Und jetzt gehen wir schlafen. Ich verstehe ja, dass du Probleme hast, du hast einen Schock. Aber du musst dich jetzt zusammenreißen.«
    Nach einer Ewigkeit schob sie die Decke weg und stand auf. Er schaltete die Lampe aus und folgte ihr ins Schlafzimmer. Sie legte Margrete in die Mitte und machte dabei ein Gesicht, das jeden Widerspruch untersagte. Dann schaltete sie die Nachttischlampe auf ihrer Seite ein. »Ich lese noch ein bisschen«, sagte sie. »Du kannst ja schlafen, wenn du so müde bist.«
    Wahrscheinlich war sie der Ansicht, dass er sich schämen solle. Weil ihn das alles so müde und erschöpft machte. Karsten Sundelin hätte am liebsten zugeschlagen. Am liebsten hätte er auf das eingeschlagen, was sie getroffen hatte. Er war der Erste, der zugab, wie grauenhaft das alles war. Und den Anblick, der sich ihm geboten hatte, als er in den Garten gestürzt gekommen war und Lily schreiend auf dem Boden gelegen und das Kind unter der Decke gestrampelt hatte, blutig wie ein kleines Schlachtvieh, den Anblick würde er niemals vergessen können, niemals in seinem ganzen Leben. Aber was ist mit dem Rest unseres Lebens, fragte er sich, wir müssen doch irgendeinen Weg finden. Er schloss die Augen und versuchte zu schlafen, aber das Licht störte ihn. Außerdem hörte er es, wenn sie eine Seite im Buch umblätterte. In seinen Ohren klang das Rascheln des Papiers wie ein Donnerschlag und drohte seinen Kopf zu zerbersten. Vielleicht werden wir beide verrückt, dachte er. Und vielleicht war das ja das eigentliche Ziel desjenigen, der durch den Wald gekommen war.
    G unilla Mørk hatte ihren siebzigsten Geburtstag mit ihren Kindern und Freunden und Nachbarn gefeiert, und war jetzt froh, dass es vorbei war. Das kalte Büfett, das sie bestellt hatte, war einfach großartig gewesen, dasselbe galt auch für

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