Eine undankbare Frau
hervorragend in Form, außerdem war er fast zwei Meter groß und hatte lange Beine. Er schoss zur großen Begeisterung der Jungen auch gleich ein Tor. Darauf umgaben sie ihn wie summende Bienen. Nach dem Spiel saßen sie zusammen im Gras und unterhielten sich. Die Jungen hatten sich andächtig in einem Halbkreis vor ihm angeordnet.
»Die Gangster, die noch frei rumlaufen«, sagte einer. »Die du nicht verhaften kannst. Ärgert Dich das nicht wahnsinnig?«
Doch, Sejer musste zugeben, dass er sich oft darüber ärgerte. Aber derjenige, der bei Sundelins im Garten gewesen war, den würden sie auf jeden Fall erwischen.
»Gibt es denn schon eine Spur?«, wollten die Jungen wissen.
»Noch nicht so richtig«, gab er zu. »Noch nicht. Aber alle machen früher oder später einen Fehler, vor allem, wenn sie schon eine Weile unterwegs sind, dann werden sie in der Regel unvorsichtig.«
»Aber das mit dem Baby, das war doch bloß ein Spaß«, sagte der kleine Dunkelhäutige. »Muss er dafür ins Gefängnis?«
»Das war kein Spaß«, erklärte Sejer. »Ich möchte euch was dazu sagen.«
Er sah ernst einen nach dem anderen an.
»Für mich ist das so schwerwiegend wie ein Raubüberfall. Den Eltern ist ihre Sicherheit geraubt worden, und das ist eine sehr ernste Sache. Denn ohne das Gefühl von Sicherheit ist das Leben sehr schwer auszuhalten.«
Er sah, dass sie sorgfältig über seine Worte nachdachten. Als Sejer gehen musste, begleiteten sie ihn zum Auto, standen dicht gedrängt neben der Fahrertür und hoben die Hände zum Gruß.
»Bleibt sauber, Jungs!«, schärfte Sejer ihnen ein und fuhr los.
Z wei Wochen nach dem Anschlag auf Margrete, wachte Karsten Sundelin eines Morgens gegen halb vier auf. Er blieb eine Weile still liegen und lauschte in die Dunkelheit. Eine dunkelblaue Jalousie schirmte jedes Licht von draußen ab, aber er spürte, dass Lily nicht neben ihm lag. Er knipste die Nachttischlampe an. Auch Margretes Bett, das sie ins Schlafzimmer gestellt hatten, war leer. Er setzte sich auf und rieb sich die Augen. Er wusste, dass Lily seit kurzem Schlafprobleme hatte. Er musste an das Geschehene denken, was sie dadurch alles verloren hatten, und er ballte die Fäuste. Denn etwas war in ihr Haus eingedrungen, etwas Fremdes. Er spürte eine Spannung zwischen ihnen, fast als dränge sich ein Dritter zwischen sie und mischte sich ein, ohne Worte, eher wie ein diffuser Schatten. Er stand auf, ging leise ins Wohnzimmer. Dort saß sie auf dem Sofa.
Lily hatte Margrete auf dem Schoß. Zuerst glaubte er, sie sei in dieser Haltung eingeschlafen, aber sie hörte ihn kommen und öffnete die Augen. Er ließ sich in einen Sessel sinken. Lily hatte kein Licht gemacht, aber in dem trüben grauen Lichtschimmer sah er, dass Margrete schlief. Lange saß er so da und betrachtete die beiden auf dem Sofa. Er wusste, dass eine Furcht in Lily Wurzel geschlagen hatte, und dass diese Furcht wuchs und ihr Ruhe und Schlaf raubte. Alles, was sie bisher für selbstverständlich gehalten hatten. Er umklammerte die Armlehnen seines Sessels.
»So kann das nicht weitergehen«, sagte er laut.
Er hörte ein tiefes Seufzen. »Wie soll es denn sonst weitergehen?«, fragte Lily müde.
Sie wiegte Margrete langsam auf ihrem Schoß hin und her.
»Es soll so werden wie früher«, sagte er.
»Das wird es nicht«, widersprach sie. »Das musst du endlich begreifen.«
Er unterdrückte einen Protest. Streckte die Hand aus und knipste eine Stehlampe neben dem Sessel an.
Lily trug einen Bademantel und hatte sich eine Decke über die Knie gelegt. Im Augenblick hast du alles unter Kontrolle, dachte er. Aber du kannst nicht ewig so sitzen bleiben. Wir müssen schlafen. Wir müssen arbeiten. Margrete muss heranwachsen. Das sagte er nicht laut, er stand auf und ging in die Küche, rief ihr zu, dass er sich eine Tasse Tee machen wolle, ob sie auch eine Tasse trinken wolle.
»Nein, ich will nichts.«
Sie klang wie ein verbittertes altes Weib. Karsten Sundelin stützte sich auf den Küchentisch. Er ballte abermals die Fäuste und fluchte leise. Dann ließ er Wasser in einen Kessel laufen. Dann ging er zurück ins Wohnzimmer, wollte etwas Aufmunterndes sagen, etwas, das ihr gute Laune machen würde.
»Früher oder später kriegen sie ihn«, sagte er. »Und dann wird er zur Verantwortung gezogen. Danach ist das Gleichgewicht dann wieder hergestellt. Oder?«
Ihre Antwort war ein verletzter Blick, der gleich darauf in Abneigung umschlug, als ob die Sofaecke, in
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