Eine undankbare Frau
sorgen Sie dafür, dass er eine gehörige Tracht Prügel kassiert.«
»Passen Sie auf Else auf«, sagte Sejer.
Auf dem Weg zum Auto rief Francis Mold an.
Sie war aufgeregt und sprach sehr schnell, sie machte sich große Sorgen um ihre Mutter Evelyn.
»Was ist denn passiert?«, fragte Sejer ruhig.
»Es war wohl alles zu viel für sie«, sagte Francis. »Sie hat so eine Art Schock bekommen und ihr Herz hat auf einmal angefangen, sehr schnell und unregelmäßig zu schlagen. Jetzt ist sie im Krankenhaus. Die müssen irgendwelche Tests machen.«
U nd während Gunilla Mørk über Leben und Tod philosophierte.
Und Evelyn Mold versuchte, sich zu erholen.
Und Astrid und Helge Landmark sich allmählich mit dem Stand der Dinge versöhnten, dachte Karsten Sundelin über sein Leben nach.
Über seine Entscheidungen und seine Motive.
Warum habe ich mich in Lily verliebt, überlegte er, warum haben wir eigentlich geheiratet? Ich wurde schwach bei ihr, weil sie französische Vorfahren hatte und weil mir das Französische gefiel. Wenn sie mir zum Beispiel in dieser exotischen Sprache Dinge zuflüsterte, Wörter, deren Sinn ich nur ahnen konnte, aber die mein Blut in Wallungen brachten und mich mit Wärme und Erwartung erfüllten.
Meine französische Lilie.
Wir haben geheiratet, weil wir schon so lange zusammen waren, weil wir beide erwachsen waren, und weil die Ehe die natürliche Konsequenz zu sein schien. Ich war allein und brauchte jemanden. Die Leute in meinem Umfeld drängten mich, meine Eltern und Freunde. Sie sahen, dass ich litt, und sie konnten dieses Leid nicht ertragen. Ich habe mich verliebt, dachte er, weil sie so klein und schön ist, weil sie sich mit derselben Eleganz bewegt wie ein Schleierschwanz im Wasser. Warum haben wir Margrete bekommen? Haben wir uns das gut überlegt, war es auch eine logische Konsequenz? Und was soll aus ihr werden, ist das meine Verantwortung? Was wird aus der fünfzehn, dreißig oder vierzig Jahre alten Margrete? Wenn sie nicht klar kommt, ist es meine Schuld? Und wie, dachte Karsten Sundelin, wie soll ich aus all dem jemals herauskommen?
Die Zeit, die seit dem Zwischenfall mit Margrete vergangen war, hatte viele Spuren in ihm hinterlassen. Die Grundmauer hatte Risse bekommen, kleine Verwerfungen, die weiter wuchsen und die sein Leben mit dem Kollaps bedrohten. Sein Gemütszustand hatte sich auch verändert. Das zeigte sich in seinem Gang und seinen Bewegungen, die waren jähzornig und ungeschickt, und die Türen knallten lauter. Es gab Momente, in denen er ganz ehrlich zu sich war, abends zum Beispiel, nach zwei Bier. Dann spürte er, dass er Lily nicht mehr so liebte wie früher. Nein, es war noch schlimmer. Er hatte angefangen, sie nicht mehr ausstehen zu können. Er konnte mit dieser ganzen Weiblichkeit, der Angst und Verletzlichkeit nicht umgehen. Und wenn er diese Gedanken zugelassen hatte, ging es ihm noch schlechter, denn vielleicht war alles ja seine Schuld.
Er hatte sie nicht beschützen können.
Ein Fremder war von außen in ihr Leben eingedrungen und hatte ihre Beziehung zerstört.
Jedesmal, wenn er bei seinen Überlegungen an diesem Punkt ankam, spannte er alle Muskeln an und musste sich sofort eine Beschäftigung suchen, mit der er seine Wut abarbeiten konnte. Er nagelte lockere Bretter im Zaun an, der um das Grundstück führte. Trieb die Nägel mit einem Hammer ins Holz und setzte seine ganze Kraft ein. Er holte die Axt und schlug zu, dass die Späne nur so flogen. Lily beobachtete ihn durchs Fenster. Nur eine kleine Ecke ihres Bewusstseins begriff, was da ablief, sie war zu sehr von ihrer Sorge ums Kind absorbiert. Margrete hatte ordentlich zugenommen. Das hatte die Hebamme bei ihrem Hausbesuch festgestellt. Bei dieser Bemerkung war Lily Sundelin so schnell aufgesprungen, dass ihr Stuhl umkippte. Sie überraschte sowohl sich selbst als auch die Hebamme, als sie dann mit der Faust kräftig auf den Tisch schlug.
Karsten Sundelin begann nach Feierabend herumzutrödeln. Er schaute bei einem Freund vorbei, manchmal gingen sie ein Bier trinken, in der kleinen Kneipe, die in Bjerkås neben der Tankstelle lag. Er kam dann immer ziemlich spät und mit dem Taxi nach Hause. Aber Lily zeigte keinerlei Anzeichen von Verärgerung, obwohl er spät kam und ziemlich angetrunken war.
Sie war zu sehr mit dem Kind beschäftigt.
Das Schlimmste aber waren die Nächte.
Wenn sie nebeneinander lagen, Margrete zwischen ihnen. Ab und zu streckte er die Hand aus und berührte
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