Eine undankbare Frau
darauf warte, dass das Gift wirkt. Während ich darauf warte, dass die Hyäne in die Knie gezwungen wird.
D er kleine Theo Bosch hatte lange mit der Tüte Pop Delight auf den Knien vor dem Fernseher gesessen. Pop Delight hatte nur neun Prozent Fett, und deshalb war es akzeptiert von seiner Mutter Wilma, die solche Dinge sehr genau nahm. Theo saß kerzengerade auf dem Sofa. Er hatte eine DVD eingelegt und folgte dem Geschehen auf dem Bildschirm mit großer Aufmerksamkeit. Er sah wie Lars Monsens grünes Kanu durch das Wasser glitt. Lars Monsen sieht eigentlich aus wie ein Wilder, fand Theo, mit so vielen Haaren und seinem dichten Bart. Und Lars Monsen fing Forellen. Lars Monsen machte ein Feuer und Lars Monsen schlief unter freiem Himmel. Und irgendwo in der Dunkelheit heulte der Wolf, aber das machte ihm keine Angst, denn das war doch nur der Isegrim, der sein Rudel zusammenrief. Und Lars Monsen war ein furchtloser Mann. Er durchquerte die Wildnis mit einer Selbstverständlichkeit, die Theo alles um sich herum vergessen ließ. Nachdem er zwei ganze Folgen gesehen hatte, sprang er vom Sofa auf und wollte zu seiner Mutter rennen. Doch die war weder in der Küche noch draußen im Garten. Sein Vater Hannes kam ins Wohnzimmer.
»Sie hat sich ein bisschen hingelegt«, sagte er. »Sie hatte Kopfschmerzen. Du weißt doch, die Frauen. Die suchen sich ihre kleinen Räume, wo sie ihre Ruhe haben.«
Theo lief ins Schlafzimmer seiner Eltern im ersten Stock. Dort sah er seine Mutter im Doppelbett liegen, das Gesicht zur Wand gedreht. Es war sehr warm. Sie hatte alle Kleider ausgezogen und sich nur mit einem Laken zugedeckt, aber das Laken war herunter geglitten und ihr nackter weißer Hintern leuchtete in dem dunklen Zimmer.
Theo blieb mit einem Finger im Mund stehen und glotzte.
Hannes kam hinterhergeschlichen. Er trat in die Tür und glotzte ebenfalls.
»Hast du sowas schon mal gesehen«, sagte er. »Ihr Hintern sieht aus wie zwei riesige eingemachte Birnen.«
Dann grinsten sie, wie Jungs das eben so tun.
»Kann ich zum Snellevann gehen?«, fragte Theo. »Allein?«
Hannes Bosch runzelte die Stirn. Er sah sich noch einmal den einladenden Hintern seiner Frau an, dann seinen Sohn. Theo war ein braves Kind. Er war wohlerzogen und fügsam, aber er besaß eine Willensstärke, die ihn weit bringen würde.
»Zum Snellevann? Ganz allein? Meinst du jetzt, sofort?«, fragte Hannes.
Theo nickte. Er sah seinen Vater flehend an. Sein Kopf war erfüllt von der Wildnis, und sein Herz ebenfalls, er konnte das Lied der Wildnis zwischen den großen Tannen hören. Er wollte in den Wald und die Vögel singen hören, er wollte zum See und die Fische springen sehen. Er wollte Theo der Abenteurer sein.
»Ich nehme Essen mit«, flüsterte er. »Du kannst mir beim Rucksackpacken helfen. Damit alles wird wie es sein soll?«
Hannes Bosch sah kurz auf seine Armbanduhr. Es war noch früh am Tag. Er legte seinem Sohn die Hand auf den Kopf. Theo war nur ein kleiner Wicht, aber er war ein schlaues Kerlchen und kein Weichei. Zum Snellevann, dachte er. Auf den kurzen Beinen. Dafür braucht er eine Stunde. Und dann wird er so zwanzig Minuten am Wasser sitzen bleiben, dann geht er wieder zurück, das macht dann also zwei Stunden und zwanzig Minuten. Ziemlich lange für einen kleinen Jungen. Zum Snellevann. Mutterseelenallein. Hannes ging zum Fenster und sah hinaus. Am Wetter gab es nichts auszusetzen, und es würde noch lange nicht dunkel werden. Außerdem war auf der Strecke zum Snellevann ein ziemlich reger Verkehr. Forstbesitzer und Schafzüchter hatten oft dort zu tun, mussten nach ihren Kühen und Schafen sehen: Neue Salzsteine auslegen und die Zäune überprüfen. Und es gab Wanderer und Radfahrer, vielleicht auch Beerenpflücker. Aber Theo war erst acht Jahre alt. Andererseits, sagte sich Hannes, im Wald ist es sicherer als an so manchen anderen Orten. Das hatten sie ja schon vor einiger Zeit festgestellt.
»Mama wird dagegen sein«, flüsterte er.
»Aber wir fragen sie ja nicht«, sagte Theo altklug und sah zu seinem Vater hoch.
Sie schlichen aus dem Schlafzimmer.
Hannes legte seinem Sohn eine Hand auf die Schulter.
»Wenn du eine Wanderung machen willst, dann musst du die genau planen«, sagte er. »Planung ist wichtig. Lars Monsen geht nie einfach los, ohne vorher zu planen. Bis ins kleinste Detail. Ernährung. Ausrüstung. Kleidung. Alles, was dazu gehört.«
Theo nickte.
»Du musst richtig angezogen sein«, sagte Hannes. »Nicht die
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