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Eine unerwartete Erbschaft (German Edition)

Eine unerwartete Erbschaft (German Edition)

Titel: Eine unerwartete Erbschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen McQuestion
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Sie ging weiter, ohne eine Antwort abzuwarten.
    »Ich gehe doch nicht weg«, rief Hubert ihr hinterher, doch entweder hörte sie ihn nicht oder wollte nichts dazu sagen, denn sie stieg einfach weiter die Treppe hoch.
    »Neuigkeiten verbreiten sich hier wohl schnell«, sagte ich.
    »Das war Mrs. Debrowsky. Sie wohnt direkt über uns.«
    Ich konnte mir vorstellen, dass die gute Frau bei den dünnen Wänden und Kellys lauter, dramatischer Stimme bestimmt einiges mitbekommen hatte.
    Als wir zu Kellys Wohnung um die Ecke bogen, sahen wir rechts und links im Hausflur bis unter die Decke jede Menge Kisten aufgestapelt. Ich stupste eine davon mit dem Fuß an. »Das wird dein Zeug sein, oder?«
    Hubert seufzte. »Ich werde bestimmt den ganzen Tag brauchen, um alles auszupacken und wieder an seinen Platz zu stellen.« Er lächelte schief. »Da ist Kelly aber fleißig gewesen.«
    »Sollen wir erstmal deinen Schlüssel suchen?«
    »Nein, Kelly ist sicher zu Hause. Ihr Wagen stand vor der Tür. Sie wird mich schon reinlassen.«
    Einige Minuten später war er nicht mehr so zuversichtlich. Ich lehnte mich gegen den Turm aus Umzugskisten und sah zu, wie mein Freund abwechselnd klingelte, klopfte und Kellys Namen rief. Als er anfing, um Einlass zu betteln, hob ich die Hand. »Ich denke nicht, dass sie aufmacht. Zeit für Plan B.«
    »Vielleicht schläft sie noch«, überlegte er laut. »Sie wird zwar ziemlich sauer, wenn man sie aufweckt, aber das vergisst sie dann meist schnell wieder.« Er hob eine Faust unters Kinn wie Rodins Denker. »Vielleicht sollten wir rausgehen und ans Schlafzimmerfenster klopfen?«
    »Hast du nicht irgendwo einen Schlüssel versteckt? Oder einen Ersatzschlüssel beim Nachbarn?«
    Er schüttelte den Kopf. Na, toll! Zu meinem Haus lagen die Schlüssel überall verstreut, aber seine Wohnung war so sicher verschlossen wie ein Casino-Safe.
    Dass wir dann doch zu Plan B übergingen, lag an Mrs. Debrowsky, die mit einem weiteren Korb Wäsche auf uns
zukam. »Kelly ist nicht da«, verkündete sie und stützte ihre Brüste auf einem Stapel Unterwäsche ab. »Es hat also keinen Sinn, zu klopfen und zu rufen und das ganze Haus zu stören. Ich soll Ihnen ausrichten, dass Ihr Autoschlüssel und Ihre Brieftasche hier drin sind und dass Sie einfach Ihre Sachen nehmen und verschwinden sollen.« Sie reckte ihr Kinn in Richtung einer der Kisten.
    »Tut mir leid wegen des Lärms«, meinte Hubert zerknirscht.
    »Ist schon gut«, erwiderte sie brummig und schickte im Weggehen noch hinterher: »Wie schon gesagt, Hubert, es tut mir wirklich leid, dass Sie ausziehen müssen. Als ich sah, wie die Möbelpacker Ihre Sachen in den Flur schleppten, dachte ich noch, dass Sie das nicht verdient haben. Sie sind ein netter Junge.«
    Erst als sie um die Ecke verschwand, wurde mir die Bedeutung ihrer Worte klar. Kelly hatte extra Möbelpacker bestellt? Dann hatte sie den Rauswurf vermutlich schon eine Weile geplant. Ich wartete auf Huberts Reaktion – ein kleiner Wutausbruch wäre jetzt durchaus angebracht gewesen oder wenigstens Schock und Verzweiflung. Stattdessen stand er einfach nur da und ließ die Arme hängen wie ein Kind, das beim Buchstabierwettbewerb verloren hatte.
    »Es tut mir leid«, sagte ich und sah ihn an, doch er starrte über meinen Kopf ins Leere.
    »Vielleicht sollte ich einen Schlüsseldienst rufen«, überlegte er nun. »Mein Name steht immer noch auf dem Briefkasten, vielleicht würden die ...«
    »Das halte ich für keine gute Idee. Es würde nur noch mehr Probleme bringen.« Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Lass es gut sein, Hubert. Sie will dich nicht mehr hier haben.«
    Wir standen eine Weile schweigend da.
    »Ich ... ich weiß überhaupt nicht, wie es jetzt weitergehen soll«, flüsterte er so leise, dass ich ihn kaum verstehen konnte. Er blinzelte, damit ich seine Tränen nicht bemerkte, aber es war zu spät. Ich hatte sie gesehen. »Warum tut sie das nur?« Er seufzte. »Ich habe das Gefühl, in einem bösen Traum gefangen zu sein. Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll.«
    Er wusste es nicht – ich dagegen hatte eine Eingebung. Mit Schwung hob ich eine Kiste von einem der Stapel. »Es hat keinen Sinn, noch länger hier rumzustehen. Warum kommst du nicht einfach wieder mit zu mir? Dann kannst du ein paar Tage bleiben und überlegen, wie es weitergehen soll.«

7
    Natürlich war es nicht ganz so einfach. Die meisten Dinge im Leben sind komplizierter, als man denkt. Wie damals, als ich zum

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