Eine ungewöhnliche Behandlung (Dr. Ben und Lara, White Romance) (German Edition)
jemand über den Lärm der Rotorblätter mühelos hinweg.
»Oh mein Gott!« Lara erkannte diese Stimme ohne Probleme. Schon ein Wort hätte gereicht, eine Silbe, ein Laut. Ihr Herz schlug schneller, Adrenalin rauschte in ihren Adern und sie vergaß alles Andere um sich herum. Überwältigt fielen ihr die Sachen aus der Hand und sie merkte es nicht einmal. Sie wollte tapfer und cool sein. Stattdessen tat ihr Körper ganz andere Dinge. Zum Beispiel konnte sie nicht mehr stehen und ließ sie wie eine Dreijährige kraftlos auf den Boden fallen. Außerdem musste sie wieder heulen und blinzelte wie wild, um mehr zu sehen. Dumme Freudentränen!
»Hey, Prinzessin, nicht weinen! Ich bin ja hier!« Ben kniete sich vor ihr und schloss ihren vertrauten, schmalen Körper in seine Arme. Die Erleichterung, die er empfand, raubte ihm den Atem. Noch vor fünf Minuten hatte er geglaubt, alles verloren zu haben, als sie das leere Camp gefunden hatten. Es war unlogisch gewesen. Er vertraute seinem Bruder, das Richtige zu tun. Dennoch hatte er den Piloten zur Eile angetrieben. Nun endlich verstand er warum, als Lara ihr Gesicht an seiner Brust barg und er den Duft ihrer Haare einatmete, ihren vertrauten Geruch, der sie umgab, seit sie das erste Mal die Schwelle seiner Wohnung betreten hatte und mit bunten Kissen, Topfpflanzen und einem Jahresvorrat Milchschnitte bei ihm eingezogen war und seine Welt auf den Kopf gestellt hatte.
»Es tut mir so leid!« Wieder und wieder murmelte Lara überwältigt die gleichen Worte, wie eine Aufziehpuppe. Sie hatte ihr gesamtes Vokabular eingebüßt. Sie hörte auf den Herzschlag in Bens Brust und die vertrauten Berührungen vertrieben den Schrecken langsam aber stetig. Sanft hob er ihr Gesicht und Lara blickte wieder in seine magischen blauen Augen, die nun beinahe schwarz vor Verlangen ein Spiegel seiner Seele waren. Dann pressten sich seine Lippen weich und warm auf ihren Mund. Sie küsste ihn einfach zurück, ohne dass sie aufhörte, zu weinen. Ihre Reaktion war total überzogen, aber sie konnte nicht anders. Irgendwie hatte sie nicht damit gerechnet, dass Ben mitfliegen würde. Irgendwie hatte sie gedacht, jetzt wäre alles aus. Irgendwie hatte sie sich insgeheim schon aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen sehen. Irgendwie war aber alles zwischen ihnen so wunderbar wie immer.
»Was stellst du nur mit mir an!« Ben strich ihr immer wieder Tränen von den Wangen und hoffte, dass er diesen Anblick nie vergessen würde. Auch er bekam neue Kräfte und kannte weder Müdigkeit noch Schmerzen. Sobald es um Lara ging, wurde er zu Superman, oder King Kong, oder dem unglaublichen Hulk. Hauptsache er fand seinen Weg zu ihr. »Halt dich an mir fest!« Der Hinweis war überflüssig. Ihre Körper waren wie Kletten. Ihre Hände klammerten sich so sehr an seine Schultern, dass sie sich eher fragte, wann sie ihn je wieder loslassen würde.
Ben konnte sich ein wissendes Lächeln nicht verkneifen Vorsichtig hob er sie hoch und trug sie zum wartenden Helikopter, während Tim die verstreuten Sachen einsammelte. »Pscht, Prinzessin, ist ja gut, einmal tief durchatmen. Ich bin dir nicht böse! Komm, nochmal tief einatmen. Und wieder ausatmen. Mir tut alles so Leid.«
Lara wollte soviel sagen, zum Beispiel, dass sie mit ihren roten verquollenen Augen garantiert nicht wie eine Prinzessin aussah und ob mit Bens Sehkraft alles stimmte. Aber vor lauter Schluchzen brachte sie immer noch kein Wort zustande. Also klammerte sie sich mit all ihrer Kraft an Ben, barg ihr Gesicht an seinem Kragen und zog ihre laufende Nase hoch.
Ben kramte nach einem Taschentuch. »Komm, einmal schnauben!«
»Ich kann das allein!«, schluchzte sie.
»Ich weiß.« Ben lächelte spitzbübisch. »Aber dann musst du mich loslassen.«
Lara schaute ihn mit großen Augen an und schnäuzte in das Taschentuch. Ohne ihre Hände von Ben zu lösen.
»Siehst du, schon viel besser.« Ben tupfte ihre nassen Wangen ab und entdeckte allmählich die Spur eines Lächeln, das sich wie die Sonne hinter Wolken langsam hervorkämpfte. Der erste Schock ebbte langsam aber stetig ab. Sie stiegen in den Hubschrauber und kaum drinnen, zog Ben sie an ihren Schultern zu sich, fühlte ihre weiche, von der Sonne gewärmte Haut, atmete den vertrauten Geruch ihrer Haare ein. Tim schmiss die restlichen Sachen dazu und kletterte auf den Platz des Co-Piloten.
Der Rettungssanitäter schaute fragend zu Ben und deutete auf die Anschnallgurte. Stur schüttelte er den Kopf.
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