Eine ungezaehmte Lady
Leuten zu, an denen sie vorbeiritten. Er hatte sich daran gewöhnt, allein unterwegs zu sein, und das geschäftige Treiben war nicht so recht nach seinem Geschmack. Bei den meisten Menschen musste man mit Komplikationen rechnen. Man konnte ihnen nicht trauen, und ihre Beweggründe waren oft undurchschaubar. Im Handumdrehen konnte sich ein Nachbar in einen Feind verwandeln. Aber ihre Fehden erhielten ihm seinen Job, also sollte er sich nicht darüber beklagen.
»Lass mich zumindest ein Bad nehmen und frische Kleidung anziehen, bevor du mich hinter Gitter bringst«, sagte Lady und dirigierte ihre Stute mit den Knien näher zu ihm heran.
Rafe warf ihr einen Blick zu. »Es gibt nichts, was ich selbst lieber täte, aber ich kann dir nicht vertrauen.« Nie mehr, Sharlot. Er musste sie in seinen Gedanken wieder als Lady bezeichnen und in ihr nur die Banditin, und nicht die begehrenswerte Frau sehen. Das half ihm auch dabei, mit seinen Schuldgefühlen besser zurecht zu kommen.
»Ich muss dringend baden.«
»Das kannst du im Gefängnis tun.«
»Vor Zuschauern?«
»Ich werde dir eine Decke besorgen und sie aufhängen, damit du ungestört bist.«
»Schau!« Sie deutete auf einen Laden. »Lass uns in das Geschäft gehen. Dort gibt es Kleidung von der Stange. Du könntest einen neuen Hut gebrauchen.«
»Keine Zeit.« Aber sie hatte recht – er brauchte wirklich einen neuen Hut.
»Es wird nicht lange dauern. Ich werde mir Seife besorgen.«
»Ich traue dir nicht über den Weg. Du könntest versuchen zu fliehen.«
»Ich habe keine Waffe. Du ruinierst mein Leben, also könntest du mir wenigstens fünf Minuten gönnen, damit ich mir ein Stück Seife kaufen kann.«
»Du bist immer gefährlich. Und ich bin nicht derjenige, der dein Leben ruiniert. Du selbst hast dich dafür entschieden, …«
»Vergiss es.« Sie wandte den Blick von ihm ab. »Du hast eben keine Ahnung, wie man eine Dame behandelt.«
»Und du verstehst dich darauf, einem Mann Salz in die Wunde zu streuen«, stöhnte er. »Ich weiß, dass ich das bedauern werde. Wenn wir anhalten, versprichst du mir, nur die Seife zu kaufen? Nichts anderes?«
»Ja!«
»Du wirst keinen Fluchtversuch unternehmen?«
»Nein!«
»Okay. Gefallen dir die Auslagen in diesem Laden?«
»Harris Mercantile. Schau dir nur dieses wunderschöne purpurrote Kleid im Fenster an.«
»Bist du sicher, dass Rot die richtige Farbe für das Gefängnis ist?«
»Ich bin die Lady mit dem Colt. Welche andere Farbe sollte ich sonst tragen?«
Rafe hielt vor dem Laden an, sah sich in beiden Richtungen genau um, musterte die Männer, warf wegen des Wetters einen Blick zum Himmel und schätzte die Beschaffenheit der Umgebung ab. Erst als er alles für sicher befunden hatte, stieg er ab und schlang die Zügel beider Pferde um die Pferdestange. Er schaute nach oben zu Lady. Ihr Anblick ließ sein Herz schneller schlagen. Sie war nichtsnutzig, störrisch und brachte ihm nur Unglück, aber sie war die faszinierendste und begehrenswerteste Frau, die er jemals kennen gelernt hatte. Er sollte sie so schnell wie möglich aus seinem Leben verbannen.
Sie schwang ein Bein über den Sattelknauf und rutschte aus dem Sattel. Als er sie auffing, seine Hände um ihre Taille legte und ihre Kurven durch seine Finger gleiten spürte, durchfuhr ihn ein heißer Blitz. Sie setzte beide Beine fest auf den Boden und grinste ihn frech und herausfordernd an. Er konnte seine Hände nicht von ihr lösen, denn er wusste, dass er sie wahrscheinlich zum letzten Mal berühren konnte.
»Bleib locker, Deputy«, schnurrte sie und klang jetzt wieder wie die Lady mit dem Colt, obwohl sie abgerissen aussah, und ihr Glück sie offensichtlich verlassen hatte. »Du wirst dich doch jetzt nicht zu sehr an mich gewöhnen wollen.«
Er nahm seine Hände herunter und legte eine davon auf seinen Peacemaker. »Wir können das auf die sanfte oder auf die harte Tour hinter uns bringen.«
»Hmm.« Sie zwinkerte ihm zu. »Das ist keine leichte Entscheidung.«
»Willst du dir jetzt ein Stück Seife kaufen, oder gleich ins Gefängnis wandern? So oder so – ich werde keine Mätzchen dulden.«
Sie biss sich auf die Unterlippe, zog einen Schmollmund und stolzierte dann die Holztreppe zu dem Laden hinauf. Er folgte ihr und konnte den Blick nicht von ihren aufreizend wiegenden Hüften abwenden. Ein Mann, der viel Zeit in ihrer Gegenwart verbrachte, würde schnell altern. Aber das wäre es beinahe wert.
Er hielt Lady die Eingangstür auf und sah zu,
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