Eine ungezaehmte Lady
Viele der Partisanen kämpften weiter. Da sie ohnehin verurteilt waren, überfielen sie Banken und Züge.«
»Du klingst verständnisvoll.«
»Viele der Gesetzlosen stehlen nur Besitz des Bundes und bekämpfen damit immer noch die Union.«
»Der Krieg ist aber seit fast zwanzig Jahren vorbei.«
»Nicht lange genug, wenn man die Wunden bedenkt, die er geschlagen hat. Nur ein kleines Beispiel: U.S. General Ewings Beschluss Nummer 11. Er beschloss, dass er seinen Teil des Landes besser unter Kontrolle halten konnte, wenn niemand dort lebte, also brannte er alles nieder und ordnete in einem großen Bereich im Westen Missouris eine Zwangsevakuierung an. Betroffen waren hauptsächlich Familien, die auf Farmen lebten. Die Wagenkolonnen, die nach Westen zogen, waren meilenlang. Dahinter stiegen dicke Rauchwolken in alle Richtungen auf. Hunderte fanden sich am Ufer des Missouri ein und mussten von den Kapitänen der Dampfer gerettet werden.«
»Auf beiden Seiten wurde etliches verwüstet. Narben machen die Menschen, eine Nation, härter.«
Lady warf Rafe einen Blick zu, um zu sehen, ob er verstanden hatte, was sie ihm zu erklären versuchte. Vielleicht sah er seit ihrer ersten Begegnung die Dinge nicht mehr nur schwarz und weiß, aber in seinem Herzen war er immer noch ein Mann des Gesetzes, für den die Vorschriften an erster Stelle standen. »Ich will damit sagen, dass einige der Gesetzlosen, die du jagst, schlechte Menschen sind, amerikanische Kriminelle, die sich im Indian Territory verstecken. Es ist gut, wenn du sie verhaftest. Aber andere sind Helden der Konföderierten, oder deren Söhne, die sich immer noch in diesem Konflikt gefangen fühlen. Sie holen sich zurück, was die Union ihnen gestohlen hat, und geben es den Bedürftigen, genau wie sie es während des Kriegs getan haben.«
Rafe schnaubte verächtlich. »Das sind Entschuldigungen! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viele davon ich schon gehört habe. Egal, was in der Vergangenheit geschehen ist – wenn sie das Bundesgesetz brechen, werden sie von Deputy Marshals zur Rechenschaft gezogen.«
Lady seufzte. »Es gibt einen großen Unterschied zwischen … sagen wir, zwischen Zip und Crowdy, aber du würdest beide verhaften.«
»Wenn sie gegen das Bundesgesetz verstoßen, dann ja. Ich würde sie dann zu Richter Parker bringen.« Er sah sie grimmig an. »Wenn Crowdy gegen indianische Gesetze verstößt, kümmert sich die leichte Kavallerie darum.«
Sie runzelte die Stirn und zog ihre Augenbrauen zusammen. »Wenn ein schlimmes Verbrechen wie Mord begangen wird, sind die Gesetzeshüter nirgendwo in Sicht.«
»Wir tun unser Bestes.« Seine Stimme klang bedauernd. »Aber wir können nicht überall sein.«
Lady wandte sich von Rafe ab und trieb Jipsey voran. Tränen brannten in ihren Augen, und sie zwinkerte heftig, um ihre Gefühle nicht zu verraten. Kein Gesetzeshüter hatte ihr geholfen, die Mörder ihrer Eltern zur Strecke zu bringen und das Verbrechen aufzuklären. Und das schloss Rafe Morgan mit ein. Sie musste sich klarmachen, dass er nur ein weiterer nichtsnutziger Deputy war, der es sich möglichst leicht machte und Verhaftungen vornahm, um seine Prämien zu kassieren. Als sie Rafes Gesicht auf dem Steckbrief gesehen hatte, hatte sie geglaubt, er sei auf ihrer Seite. Falsch. Man brauchte nur ein wenig an der Oberfläche zu kratzen, und schon kam der Gesetzeshüter zum Vorschein. Sie hatte sich wie eine Närrin verhalten, als sie wegen ihrer körperlichen Begierden ihren Verstand ausgeschaltet hatte.
»Niemand weiß es so genau, aber wir nehmen an, dass Jesse und Frank James und Cole und Jim Younger in dieser Gegend unterwegs waren«, fuhr Rafe fort und lenkte sein Pferd neben ihres. »Belle und Sam Starr ebenfalls.«
»Cole sitzt im Gefängnis. Fünfundzwanzig Jahre wegen eines Raubüberfalls.« Lady erkannte, dass Rafe keine Ahnung davon hatte, wie sehr ihre Unterhaltung sie aufgewühlt hatte.
»Belle und Sam sitzen auch. Sie wurden zu neun Monaten verurteilt.«
»Das ist das erste Mal für sie.«
»Deshalb ist Richter Parker auch gnädig gewesen.«
»Ich glaube, dass man sich über Belle Starr einige Geschichten erzählt, die nicht der Wahrheit entsprechen.«
»Sie war dumm genug, um Jim Reed zu heiraten. Er hat sich der Guerillatruppe Quantrill’s Raiders angeschlossen«, stellte Rafe fest.
Lady bemühte sich, ihre Stimme ruhig und vernünftig klingen zu lassen. »William Quantrill war Lehrer, bevor er eine Einheit von Partisanen
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