Eine unheilvolle Begegnung
wieder einen Hustenanfall aus. Keuchend versuchte er sich zu beruhigen, denn jeder Atemzug verursachte kaum zu ertragende Schmerzen an seinen Rippen. Nachdem er sich ein wenig beruhigt hatte, merkte er, dass die Frau näher gerückt war. Prüfend blickte sie ihn an, wahrscheinlich um zu entscheiden, ob er sich im nächsten Moment auf sie stürzen würde. Morgan bemühte sich, möglichst harmlos zu wirken. Aber bei seinem derzeitigen Aussehen war das sicher vergebliche Liebesmüh. Er bewunderte den Mut seiner Retterin, als sie sich vorsichtig auf die Kante des Bettes setzte und ihn forschend betrachtete.
Jetzt, wo sie näher war, konnte er erkennen, dass sie blaue Augen hatte. Ein reines, tiefes Blau, durch das man meinte, direkt in sie hineinblicken zu können. Im Moment blickten sie wachsam und … besorgt. Etwa um ihn? Diesen Umstand konnte er bestimmt zu seinem Vorteil nutzen. Normalerweise widerstrebte es ihm zwar, andere Menschen zu benutzen, aber in diesem Fall musste er es tun. Sie war seine einzige Chance.
»Was meinten Sie mit ›nein‹?« Selbst ihre Stimme klang ehrlich. Klar und ruhig, als säße sie beim Nachmittagstee. Dabei hätte er wetten können, dass sie noch nie in einer Situation wie dieser gesteckt hatte.
Flach atmete er durch. »Bringen Sie mich nicht … in ein Krankenhaus. Zu gefährlich.«
Stirnrunzelnd blickte sie ihn an. »Ich habe Sie zwar verbunden, aber ich habe keine Ahnung von Medizin. Vielleicht haben Sie innere Verletzungen, und Ihre Rippen sehen auch nicht gut aus. Sie müssen dringend in ein Krankenhaus.«
Morgan schloss die Augen. Sie hatte ja recht, aber er war lieber verletzt als tot. »Männer … sind hinter mir her. Wenn sie erfahren, dass ich noch … lebe, werden sie mich töten.«
In ihren Augen stand Unsicherheit, doch sie stellte nur eine Frage: »Was haben Sie getan?«
Morgans Mundwinkel bogen sich widerwillig nach oben, dann schnitt er eine Grimasse, als Schmerz seinen Kiefer durchzuckte. »Besser, wenn Sie das nicht wissen … sicherer für Sie.«
Die Frau blickte ihn eine Weile schweigend an. »Ich kann auch versuchen, über mein Funkgerät die Polizei zu erreichen, dann wären Sie beschützt.«
»Keine Polizei.«
Seufzend rieb sie sich die Stirn. »Soll ich jemand anderen für Sie benachrichtigen?«
Morgan dachte kurz an seinen kleinen Bruder, verwarf diesen Gedanken aber sofort. Joe sollte nicht auch noch mit in diese Geschichte hineingezogen werden. Das war zu gefährlich. Wenn er sterben würde, wäre auch das letzte Mitglied seiner Familie ausgelöscht. Dann gab es auch für ihn, Morgan, keinen Grund mehr zu leben … Nein, so stimmte das auch nicht ganz. Bis vor einem Jahr war er mit seinem Leben recht zufrieden gewesen. Er war in seiner Arbeit und Freiheit aufgegangen. Als er eines Abends von einem auswärtigen Job zurückgekommen war, hatte er auf seinem Anrufbeantworter die Nachricht vorgefunden, die alles veränderte …
Mit einem Ruck kehrte Morgan in die Realität zurück. Erst jetzt spürte er die kühle Hand, die seine Faust umfasste. Abwesend starrte er auf die schlanken, gebräunten Finger und erinnerte sich an eine andere, kleinere Hand, die vertrauensvoll in seiner gelegen hatte. Sein Hals zog sich zusammen, und ein Schmerz ganz anderer Art brannte in seiner Brust. Mein Gott, Mara, was habe ich getan? Von Gefühlen überwältigt schloss er die Augen. Tränen brannten hinter seinen geschlossenen Lidern.
Nach einigen Minuten hatte er sich so weit im Griff, dass er die Augen wieder öffnen konnte. Die Hand der Frau lag immer noch auf seiner, doch jetzt hatte sie die Augen geschlossen. Während er in Selbstmitleid gebadet hatte, war seine Retterin von der Müdigkeit überwältigt worden.
»Gehen Sie schlafen.«
Bereits bei seinem ersten Wort schreckte Sam auf und blickte sich nun orientierungslos um. Ihr Blick fiel auf den zerschundenen Fremden, der in ihrem Bett lag. Ihre Hand lag immer noch auf seiner. Schnell zog sie sie zurück und sprang auf. »Tut mir leid, ich hatte einen langen Tag. Soll ich nun jemanden für Sie kontaktieren?«
»Nein. Aber es wäre nett, wenn Sie mich morgen irgendwo in der Zivilisation absetzen könnten. Ich finde dann meinen Weg.«
Sam betrachtete ihn aufmerksam. Es widerstrebte ihr, einen so schwer Verletzten einfach sich selbst zu überlassen. Aber wenn er darauf bestand, konnte sie nichts machen. Außer vielleicht, ihn ans Bett zu fesseln. Aber das ging dann wohl doch zu weit. Vielleicht würde er ja zu
Weitere Kostenlose Bücher