Eine unheilvolle Begegnung
es Ihnen gut?« Sie hätte nicht gedacht, dass jemand mit geschwollenen, fast geschlossenen Augen böse blicken konnte. Aber dieser Mann brachte es fertig.
Er deutete auf das Regal. »Bin nichts ahnend aufgewacht, da steht über mir plötzlich dieses … Ding!«
Sams Blick folgte seinem Finger, dann lächelte sie. »Das ist nur Lucie.«
Er sah sie an, als wäre sie nicht ganz bei Trost. »Sie bewahren einen Schädel in Ihrem Zelt auf, noch dazu neben Ihrem Bett? Und dann geben Sie ihm auch noch einen Namen?«
Sam lachte auf. »Nein, das ist nur ein Abguss eines Diplodocus-Schädels, das Original steht im Museum. Und ich habe es nicht benannt, sondern der Entdecker des Skeletts.«
Man sah deutlich, dass er in seiner momentanen Verfassung für solche Details keinen Sinn hatte. »Mir egal, was es ist. Jedenfalls kann ich mir nach einer Nacht wie der vergangenen angenehmere Anblicke vorstellen.«
Sam zuckte schuldbewusst zusammen. »Tut mir leid. Soll ich Ihnen beim Aufstehen helfen?«
Der Mann blickte sie eine Weile schweigend an, dann seufzte er. »Nein, mir tut es leid. Ich wollte Sie nicht so anfahren. Das war nur der Schreck. Es wäre nett, wenn Sie mir helfen könnten.«
Sam schob seinen Arm auf ihre Schultern, umfasste seine Taille und stemmte ihn so in die Höhe. Schwer atmend saß er schließlich auf dem Bett, Schweiß glänzte auf seiner nackten Brust und durchnässte den Verband.
»Die Schwellung an Ihrem Kiefer scheint jedenfalls zurückgegangen zu sein.« Fragend blickte er sie an. »Und Ihre heftigen Flüche vorhin sind vermutlich ebenfalls ein Zeichen der Besserung.«
Im Halbdunkel des Zeltes war es schwer zu erkennen, aber Sam glaubte, die wenigen von blauen Flecken verschonten Partien seines Gesichts erröten zu sehen. Erstaunlich, ein Mann, der errötete, nur weil er beim Fluchen ertappt worden war.
»Entschuldigung.«
Sam grinste ihn an. »Kein Problem, mein Bruder Rey hat mir, als ich noch ein Kind war, alles beigebracht, was es an Flüchen gibt. Hin und wieder benutze ich sie auch selbst.« Sie wurde wieder ernst. »Legen Sie sich hin, dann sehe ich noch einmal nach Ihren Verletzungen. Ich hoffe, Sie bluten nach dem Sturz nicht wieder.«
Gehorsam kämpfte sich Morgan auf das Bett zurück. Viel länger hätte er sich sowieso nicht aufrecht halten können, nachdem ihm die Frau ihren Arm entzogen hatte. Er fühlte die Schmerzen zwar immer noch, aber durch den schockbedingten Adrenalinausstoß waren sie etwas gedämpft, so als wäre er von einer Watteschicht umgeben. Durch halb geschlossene Augen beobachtete er, wie seine Retterin Wasser auf einem kleinen Gasherd erhitzte und in eine Schale goss, bevor sie mit einem Verbandskasten unter dem Arm zum Bett trat. Ihre Hände steckten in durchsichtigen Handschuhen.
Seine Augen waren etwa auf Kniehöhe ihrer langen, schlanken, aber gleichzeitig muskulösen Beine, bevor sein Blick nach oben wanderte. Sie war wirklich ziemlich groß, jedenfalls kam es ihm aus seiner jetzigen Position so vor. Und jung war sie auch, wenn ihn seine verschwommene Sicht nicht trog. Jedenfalls wesentlich jünger als seine 37 Jahre. Im Moment kam er sich sehr alt und verbraucht vor; ein Gefühl, das vorher noch nie in ihm aufgestiegen war.
Alle Gedanken wichen jäh aus seinem Kopf, als die Frau anfing, die Verbände zu lösen und seine Wunden zu reinigen. Verdammt, das tat weh! Heute Morgen war der Schmerz viel schärfer als gestern. Sein Körper bestand nicht mehr aus einem einzigen großen Schmerz, sondern aus vielen kleinen. Leider war auch die Betäubung durch den Schock mittlerweile abgeklungen, was seinen Kopf zwar freier machte, aber gleichzeitig auch die Schmerzsignale seines Körpers verstärkte. Die sanften Hände waren mittlerweile bei seiner Hüfte angekommen.
Morgan hob den Kopf, um nachzuschauen, was sie dort unten tat. Seine Augen weiteten sich, als er erkannte, was sie aus der gefährlich aussehenden, tiefen Wunde zog. »Ist es das, wofür ich es halte?«
Ihr Kopf ruckte nach oben, und sie lachte, als sie seinen entsetzten Gesichtsausdruck bemerkte. »Wenn Sie denken, dass es ein Tampon ist, dann haben Sie recht.«
Erneut stieg Hitze in sein Gesicht.
Immer noch grinsend versenkte sie den blutigen Tampon im Müll und nahm eine Kompresse aus dem Verbandskasten. »Ich hoffe, Sie sind nicht so empfindlich. Ich hatte nichts anderes da, um das Blut zu stillen. Und ich wollte Sie ungern verbluten lassen, nur um Ihre männlichen Gefühle zu schonen.«
Morgan
Weitere Kostenlose Bücher