Eine unheilvolle Begegnung
meldete.
»Spade.«
Morgan räusperte sich. »Hier auch.«
Kurze Stille, dann schien Joe sein Erstaunen überwunden zu haben. »Das wurde aber auch Zeit! Seit Wochen versuche ich jetzt schon, dich zu erreichen. Was ist los mit dir?«
Morgans Mundwinkel bogen sich nach oben. »Ich finde es auch schön, mit dir zu sprechen.«
Joe blies hörbar die Luft aus. »Ich habe schon den Flug nach Denver gebucht. Warum hast du dich nicht bei mir gemeldet?«
»Es tut mir leid, Joe. Es gab gewisse Umstände, durch die ich mich nicht bei dir melden konnte.«
»Was für Umstände?«
»Das werde ich dir irgendwann in Ruhe erklären, vorzugsweise nicht am Telefon.«
Stille. »Geht es dir gut?«
Morgan runzelte die Stirn. Er mochte nicht lügen, aber wenn er Joe die Wahrheit sagte, würde er sich nur Sorgen machen. »Ja.«
»Das dauerte ein bisschen zu lange. Ich komme.«
»Nein, Joe, das brauchst du wirklich nicht. Jetzt ist alles in Ordnung.« Zumindest bald.
»Und wenn ich kommen will?«
Morgan seufzte. Was sollte er dazu schon sagen? »Dann kann ich dich wohl kaum daran hindern.«
»Genau. Ich buche meinen Flug auf nächsten Freitag um. Und dann erwarte ich Erklärungen.«
»Aye, Sir!«
Zum ersten Mal lachte Joe. Für Morgan eine Erinnerung an ihre Jugend, an die Jahre, die sie zusammen verbracht hatten. »Warum nicht gleich so. Ich freue mich, Morgan.«
Morgan schluckte den Knoten hinunter, der in seinem Hals saß. »Ich mich auch. Bis Freitag.« Er legte den Hörer auf. Dann ging er zu seinem Stuhl und ließ sich darauf sinken. Nur langsam wich der Druck in seiner Brust und hinter seinen Augen.
Sam wirkte frisch und leuchtend, als sie sich zu ihm setzte. Vielleicht sah sie normalerweise immer so aus, und er hatte sie bloß wegen der Umstände noch nie so gesehen. Aber es gefiel ihm besser, sich vorzustellen, dass es an der wundervollen Nacht lag, dass sie jetzt so strahlte. Ihm ging es jedenfalls so. Er hielt ihr den Korb mit den frischen Bagels hin und wartete, bis sie sich bediente.
»Danke.« Sie hob die Tasse hoch und trank einen Schluck. »Hmmm, du trinkst frisch gemahlenen Kaffee?«
»Nur ab und zu. Meistens habe ich keine Zeit dafür. Aber ich dachte, in nächster Zeit können wir es uns gut gehen lassen.«
Sam lächelte. »Eine gute Idee.«
Eine Weile genossen sie schweigend das Frühstück. Dann blickte Sam ihn ernst an. »Hast du schon mit deinem Bruder gesprochen?«
»Ja.«
»Und, was hat er gesagt?«
»Ich habe versucht, Joe zu überzeugen, dass es mir gut geht, aber er scheint mir nicht glauben zu wollen.« Er verzog den Mund. »Er hat sich für nächsten Freitag angekündigt.«
»Das ist doch toll! Wie lange hast du ihn schon nicht mehr gesehen?«
Morgan räusperte sich. »Seit Maras Beerdigung.«
»Dann wird es ja langsam Zeit, dass ihr euch mal wieder trefft.«
Morgan versuchte ein Lächeln. »Ich weiß, aber leichter wird es dadurch auch nicht. Wir werden bestimmt beide daran denken, was … was geschehen ist, als wir uns das letzte Mal gesehen haben.« Seine Stimme wurde noch leiser. »Ich weiß nicht, ob ich das durchstehe.«
Sam berührte seine Hand. »Ich bin bei dir, wenn du das möchtest.«
Mit feuchten Augen blickte er sie dankbar an. »Das wäre schön.«
»Was machen wir heute?«
Morgan war dankbar für den Themenwechsel. »Ich werde mir die Haare färben.«
»Soll ich dir dabei helfen?«
Morgan schüttelte den Kopf. »Nein, danke. Das schaffe ich schon.« Er grinste. »Außerdem soll es ja eine Überraschung werden.«
»Na, da bin ich aber gespannt.«
Der Rest des Frühstücks verlief entspannt. Sie unterhielten sich über ihre jeweiligen Berufe, Hobbys und alles, was ihnen interessant erschien. Später ging Morgan ins Bad, um sich die Haare zu färben, während Sam weiter am Tisch sitzen blieb und die Ruhe des Morgens genoss.
Sam frühstückte zu Ende und stand dann auf, um den Tisch abzuräumen und das Geschirr in die Spülmaschine zu stellen. Sie hatte gerade die Tüte mit den restlichen Bagels in der Hand, als Morgan zurück ins Zimmer kam. Ihr Mund öffnete sich, doch es kam kein Ton heraus. Die Tüte fiel aus ihren plötzlich kraftlosen Fingern.
Morgan lächelte sie unsicher an. »Was sagst du dazu?«
Sam schloss den Mund und versuchte, ihre Sprache wiederzufinden. »Blond?« Seine Haare schimmerten jetzt goldblond, der Gesamteindruck ließ ihn viel zugänglicher erscheinen. Nur die schwachen Blutergüsse im Gesicht erinnerten noch an den brutal
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