Eine unheilvolle Begegnung
ist nicht hier.«
Morgan fühlte, wie seine eiserne Geduld langsam bröckelte. Er wollte Sam endlich wiedersehen! »Wo ist sie denn? In ihrem Haus war sie auch nicht, da bin ich schon gewesen.«
Cathy zog die Augenbrauen hoch. »Sie ist nicht in der Stadt. Sind Sie gekommen, um sie endgültig abzuschieben?«
Morgans mühsam aufrechterhaltene Ruhe verflüchtigte sich. Er ging zum Schreibtisch, stützte beide Hände auf die Tischplatte und beugte sich zu Cathy hinunter. »Hören Sie, ich will einfach nur wissen, wo sie ist, damit ich mit ihr sprechen kann. Ich habe nicht die Zeit und die Geduld, mit Ihnen Spielchen zu spielen. Ich will Sam, und zwar sofort!«
Als Cathy sich von ihrem Schrecken erholt hatte, fing sie an zu grinsen.
»Finden Sie das etwa lustig?« Morgan hatte sich wieder ein Stück von ihr entfernt, selbst ein wenig erstaunt über seinen Ausbruch.
»Nein, keineswegs. Ich freue mich nur, dass Sie scheinbar genauso gelitten haben wie Sam.« Sie wurde ernst. »Ihnen ist doch klar, wie sehr es sie verletzt hat, dass Sie sich nicht bei ihr gemeldet haben, oder?«
Morgan wurde von Schuldgefühl überschwemmt. »Ja. Und ich werde mich auch bei ihr dafür entschuldigen – ausführlich –, wenn Sie mir endlich sagen, wo ich sie finden kann.«
»Da, wo sie Sie gefunden hat.«
Morgan brauchte einen Moment, um die Aussage zu verstehen. »Sie ist bei ihrer Ausgrabung?«
Cathy nickte. »Nachdem Sie sich bei ihr nicht gemeldet und auch nicht auf ihre Nachrichten geantwortet haben, hat sie sich entschieden, dass sie eine Ablenkung braucht. Sie ist seit zwei Wochen dort.«
Morgan schloss verzweifelt die Augen. Also musste er noch länger warten, bis er sie endlich wieder in seine Arme schließen konnte. Langsam öffnete er sie wieder. »Können Sie mir den Weg beschreiben? Ich fürchte, ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern.«
»Verständlich.« Cathy überlegte kurz und lächelte ihn dann an. »Ich habe noch eine viel bessere Idee als eine Skizze.« Sie griff in ihren Schreibtisch und zog ihre Handtasche heraus. Schwungvoll schob sie die Schublade zu und erhob sich. »Gehen wir.«
Seit sie vor zwei Wochen zur Ausgrabungsstelle zurückgekehrt war, hatte Sam sich in die Arbeit gestürzt und war von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang im Gebiet unterwegs oder über dem Skelett kniend zu finden. Natürlich wanderten ihre Gedanken immer wieder zu Morgan, besonders wenn sie abends alleine in ihrem Zelt lag und der Schlaf auf sich warten ließ. Es half ihr auch nicht zu wissen, dass sie nicht die Einzige mit diesem Problem war.
Tom wurde ebenfalls mit jedem Tag schweigsamer und mürrischer. Sam verstand, warum das so war und warum er sich freiwillig gemeldet hatte, bei dieser Ausgrabung mitzumachen, und sie bewunderte ihn dafür. Cathy dagegen war alles andere als erfreut gewesen, als sie von seinem Plan erfuhr. Ihre lautstarke Beschwerde hatte dazu geführt, dass Sam seit langer Zeit wieder gelacht hatte. Cathy fand das natürlich nicht so lustig, was Sam ihr auch nachempfinden konnte. Aber immerhin wusste ihre Freundin, dass Tom etwas für sie empfand, so viel sogar, dass er alles dafür tat, sie beruflich nicht zu kompromittieren. Auch wenn beide darunter leiden mussten.
Aus welchem Grund hatte Morgan sich selbst jetzt, nach über drei Wochen, nicht bei ihr gemeldet? Von Cathy hatte sie erfahren, dass er weder angerufen noch über die Universität versucht hatte, Kontakt mit ihr aufzunehmen. Wo war er bloß? War er etwa immer noch in Gefahr? Aber das konnte eigentlich nicht sein, denn alle hatten ihr versichert, dass sie in keinerlei Gefahr mehr schwebte. Also, was tat Morgan, das wichtiger war, als zu ihr zu kommen, so wie er es versprochen hatte?
Sam hob den Kopf, als sie unvermittelt Motorengeräusch hörte. Wer würde denn jetzt mit dem Auto in diese einsame Gegend fahren, noch dazu am späten Nachmittag? Sie unterdrückte die unwillkürliche Erinnerung an einen anderen Abend, als sie ein Auto hatte kommen hören. Das würde nur dazu führen, dass sie wieder über Morgan nachgrübelte, und das wollte sie möglichst vermeiden. Resigniert legte Sam ihr Werkzeug zur Seite und wischte sich mit dem Arm über ihre schweiß- und staubbedeckte Stirn. Zu spät, die Erinnerung war bereits wieder in ihrem Kopf lebendig, sie konnte genauso gut aus dem Schacht herausklettern und nachsehen, wer da kam.
Sie wandte sich an die Studenten, die in allen erdenklichen Positionen über dem zum Teil freigelegten
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