Eine unheilvolle Begegnung
mitnahmen. Sie hatte einfach nur fliehen, den Einbruch und die Konsequenzen daraus vergessen wollen. Das war ihr natürlich nur bedingt gelungen, und jetzt stand sie ohne fahrbaren Untersatz da und war auf ihre Freundin angewiesen. Nach der Arbeit würde sie Cathy bitten, sie zu Hause abzusetzen. Dann konnte sie immerhin mit ihrem eigenen Auto fahren. Zufrieden mit ihrer Entscheidung lehnte sie sich zurück und versuchte, bei Cathys rasanter Fahrweise keinen Herzinfarkt zu bekommen. Das gelang ihr gerade so.
Gemeinsam betraten sie das Gebäude des Geologischen Instituts, ihre Schritte hallten von den Steinwänden wider. Nach einem kurzen Gespräch trennten sie sich, und Cathy strebte immer zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppen hinauf, während Sam langsamer in den dunklen Keller hinabstieg. Sie hatte schon tausendmal um eine bessere Beleuchtung gebeten, der Keller war als Lager und nicht für Büros gebaut worden, aber bisher hatte sich noch niemand gerührt. Wahrscheinlich musste sich erst jemand den Hals brechen, bevor etwas passierte.
Sam erreichte die Tür ihres kleinen Büros und zog den Schlüssel aus der Hosentasche. Nachdem sie mehrmals aufgrund der schlechten Lichtverhältnisse das Schlüsselloch verfehlte, traf sie es schließlich und brummte missmutig. Noch ein Grund mehr, bessere Beleuchtung zu fordern. Man sah ja kaum die Hand vor Augen, geschweige denn ein Schlüsselloch. Sie drehte den Schlüssel um und stutzte. War die Tür gar nicht abgeschlossen gewesen? Es war immer das Gleiche, niemand schien einzusehen, dass es sinnvoll war, Räume mit wertvollem Inhalt auch ordentlich zu verschließen. Sie hatte jedenfalls gestern ordnungsgemäß abgeschlossen, da war sie sich sicher.
Leicht irritiert ging sie in ihr Büro, warf Schlüssel und Rucksack auf ihren Schreibtisch und ließ sich in den Drehstuhl fallen. In weniger als zwei Wochen begann die Ausgrabung. Wenn sie nicht ein totaler Flop werden sollte, musste sie sich langsam mal in die Vorbereitung hineinknien. Ihr Blick richtete sich auf die Papierstapel, die auf ihrem Schreibtisch lagen. Was war denn hier los? Hatte etwa die Putzfrau wieder versucht, unter den Papieren zu wischen? Im Privatleben war Sam zwar äußerst schlampig, aber bei der Arbeit hatte alles seine genaue Ordnung. Deshalb merkte sie auch sofort, dass sich jemand an ihren Unterlagen zu schaffen gemacht hatte. Natürlich konnte auch einer ihrer Kollegen etwas gesucht haben, aber das war unwahrscheinlich. Sie wussten alle, wie wichtig es für sie war, dass niemand ihre heilige Ordnung störte.
Langsam wanderte ihr Blick durch den nur von der Schreibtischlampe erhellten Raum. Es schien alles an seinem Platz zu sein, aber irgendetwas war nicht so wie immer. Die Haare an ihren Armen stellten sich plötzlich auf, und ihr Nacken prickelte. Irgendetwas war hier ganz und gar nicht in Ordnung, das spürte sie.
Stand ihre Schreibtischschublade nicht ein wenig weiter offen als gewöhnlich? Allerdings konnte sie das auch selbst gewesen sein, als sie gestern die Fotos herausgenommen hatte. Ihr Instinkt schien etwas anderes zu sagen, denn ihr Herz begann in einem schnelleren Rhythmus zu schlagen. Wenn nun jemand in ihrem Büro gewesen war, genau wie in ihrem Haus? Es schien fast unmöglich. Wie sollte jemand hier hereinkommen? Es arbeiteten eine Menge Leute im Haus, da konnte man jederzeit entdeckt werden. Ja, oder man ging in der Masse unter und fiel überhaupt nicht weiter auf. Ein Schauer kroch ihr Rückgrat hinauf.
Sams Blick fiel auf den überfüllten Mülleimer. Ein Beweis dafür, dass die Putzfrauen noch nicht hier gewesen waren. Aber wer war es dann gewesen? Einer ihrer Kollegen oder … jemand anders? Ihre Instinkte liefen auf Hochtouren, verlangten, dass sie sofort den Raum verließ und Hilfe holte. Aber mit welcher Begründung? Wegen eines Gefühls? Die Leute würden sie auslachen, aber im Moment war ihr alles egal. Sie wollte nur diesem bedrückenden Verlies entkommen und dem unangenehmen Gefühl, dass sie jemand beobachtete.
Unruhig blickte sie sich erneut um. Wo sollte sich hier schon jemand verstecken? Fast der gesamte Raum war von Regalen und ihrem Schreibtisch in Anspruch genommen, lediglich ein zweitüriger Schrank stand ihr schräg gegenüber an der Wand. Natürlich könnte sich darin jemand verstecken, wenn er sich genug verrenkte, aber sie bezweifelte es.
Der Schatten daneben, war er nicht ein bisschen zu schwarz, um natürlich zu sein? Angestrengt durchdrang sie mit
Weitere Kostenlose Bücher