Eine unheilvolle Begegnung
drang die Bedeutung zu ihr durch. »Marsh?«
Cathy blickte kurz zur Seite, dann wieder zurück und schüttelte den Kopf.
Nein, das konnte nicht geschehen sein! Marsh hatte doch eben noch mit ihr geredet. Tränen rannen über ihre Wangen. Sie hatte den Professor wirklich nicht gemocht, und er war ihr meistens furchtbar auf die Nerven gegangen, aber sie hatte nie gewollt, dass ihm etwas passierte. Und jetzt, einfach so, innerhalb von Sekunden war er nicht mehr da. Eine andere Erleuchtung folgte gleich darauf. Wenn sie mit ihm in den Wagen gestiegen wäre, dann wäre sie jetzt auch tot. Tot .
In den folgenden Minuten konzentrierte sie sich ganz auf Cathys Gesicht, ihre beruhigenden Berührungen und das leise Murmeln ihrer Stimme. Immer wenn Sam die Augen schloss, hatte sie das gleiche Bild vor Augen: Marsh, wie er sie überheblich anlächelte und den Schlüssel herumdrehte. Dann ein Feuerball, der den ganzen Wagen einhüllte. Den Ausdruck des Schreckens auf Marshs Gesicht hatte sie sich bestimmt nur eingebildet. Es war alles so schnell gegangen, dass er unmöglich gewusst haben konnte, was passierte. Sie hatte es ja selbst nicht verstanden.
Wenn sie nur etwas näher am Pick-up gestanden hätte, dann wäre sie jetzt ebenfalls tot. Doch wie schwer verletzt war sie überhaupt? Hatte sie noch alle Gliedmaßen? Sie musste die Frage wohl laut gestellt haben, denn jetzt beugte sich auch Tom über sie und sprach ihr ins Ohr.
»Es ist noch alles dran, Sam. Du bist vielleicht an einigen Stellen etwas angesengt, an anderen hast du garantiert Prellungen, aber sonst siehst du aus wie immer. Im Krankenhaus wird noch gecheckt, ob du innere Verletzungen hast. Wenn die Untersuchungen nichts ergeben, kannst du bestimmt morgen wieder nach Hause.«
Sam wusste nicht, ob sie das erleichtern sollte oder nicht. Aber sie brachte für Tom immerhin ein schiefes Lächeln fertig. Danach blickte sie wieder in den Himmel, bis schließlich kurze Zeit später, nach ihrem Zeitempfinden kam es ihr eher wie Stunden vor, ein Krankenwagen mit Blaulicht vorfuhr. Gleichzeitig kam auch ein Feuerwehrauto auf dem Parkplatz an. Während Sam auf eine Trage geladen wurde, begannen die Feuerwehrmänner damit, die Überreste ihres Autos zu löschen und den gesamten Parkplatz zu evakuieren. Wahrscheinlich hatten sie Angst, dass noch andere Autos explodierten und weitere Menschen verletzt wurden.
Warum war ihr Pick-up explodiert? In den letzten Tagen schien hinter jeder Tür und Ecke irgendjemand zu lauern, der es auf sie abgesehen hatte. Das konnte doch alles kein Zufall sein. Ein Zittern erfasste ihren Körper, ihr Herz raste. Konnte es wirklich sein, dass jemand sie damit töten wollte? War sie nun für den Tod von Professor Marsh verantwortlich? Hatte sie dadurch, dass sie einem Fremden auf dem Colorado Plateau geholfen hatte, sein Schicksal besiegelt? Was für ein schrecklicher Gedanke! Bevor Sam ihn jedoch weiterspinnen konnte, begann das Beruhigungsmittel zu wirken, das der Sanitäter ihr gespritzt hatte, und ihre Gedanken verloren sich im Unbewussten.
16
Langsam erwachte Sam aus ihrem tiefen Schlaf. Blinzelnd versuchte sie, sich aufzurichten, doch irgendetwas hielt sie fest. Erstaunt blickte sie sich um. Wo war sie hier? Ihr Blick klärte sich so weit, dass sie mehr als nur verschwommene Umrisse sehen konnte: weiße Wände, weiße Schränke, weiße Betten. Und dann dieser Geruch. Sie musste in einem Krankenhaus sein. Aber was tat sie hier? In dem Moment schossen ihr Bilder und Geräusche der vorangegangenen Geschehnisse durch den Kopf. Sam schloss die Augen und presste die Hände über die Ohren. Trotzdem hörte sie erneut den lauten Knall der Explosion, das scheinbar endlose Scheppern, als Teile ihres Pick-ups auf die anderen Wagen und den Asphalt fielen, sah Marshs Gesicht, bevor eine Feuersäule aus dem Auto emporstieg. Nein! Das musste einfach ein Traum sein …
»Sam? Hörst du mich?«
Sam bemühte sich wegzuhören. Wenn sie nicht reagierte, vielleicht ging dieser Alptraum dann einfach weg. Aber eine kalte Hand berührte Sams heiße Wange und machte ihr so unmissverständlich klar, dass sie wach war. Langsam hoben sich ihre Lider, und sie blickte direkt in Cathys besorgte Augen.
»Ich habe das Ganze nicht geträumt, oder?« Ihre raue Stimme traktierte ihre sowieso schon überreizten Trommelfelle.
Cathy ließ sich vorsichtig auf die Bettkante sinken. »Leider nicht. Wie fühlst du dich?«
Wenigstens konnte sie jetzt wieder etwas besser hören
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