Eine Unheilvolle Liebe
dann wohl. Ich fürchte, jetzt haben wir ein Problem.« Ich verstaute die Kugel in meiner Tasche.
»Na toll.« Ohne ein weiteres Wort schlug Link den sonnenbeschienenen Weg ein.
»Was hast du vor?«
»Nimm’s mir nicht übel, aber solange du keinen Lotsen-Insidertipp hast, werde ich garantiert nicht noch mal da langgehen.« Er warf einen Blick zurück auf die düstere Straße. »Egal was wir tun, es könnte falsch sein, stimmt’s?«
»Schon möglich.«
»Andersrum betrachtet stehen unsere Chancen fifty-fifty, dass wir es schaffen«, überlegte er weiter. Ich unterließ es, seine Statistikkunststücke zu kommentieren. »Ich schlage vor, wir setzen auf Oz und reden uns ein, dass alles gut geht. Was haben wir schon zu verlieren?«
Es war schwierig, gegen Links verquere Argumentation anzukommen, insbesondere wenn er versuchte, logisch zu sein.
»Oder habt ihr einen besseren Vorschlag?«
Liv schüttelte den Kopf. »Traurig, aber wahr, ich habe keinen.«
Also machten wir uns auf den Weg nach Oz.
Der Tunnel hätte tatsächlich aus einem der alten zerlesenen L.-Frank-Baum-Bücher meiner Mutter stammen können. Weiden neigten ihre Äste über den staubigen Weg und der unterirdische Himmel war offen und endlos und blau.
Die Landschaft lag still vor uns, aber gerade das beunruhigte mich. Ich hatte mich an die Schatten gewöhnt. Die Idylle war trügerisch. Ich rechnete jeden Augenblick damit, dass von den fernen Hügeln ein Vex herabkam.
Oder dass mir ganz unerwartet ein Haus auf den Kopf fallen würde.
Nie hätte ich mir vorstellen können, dass mein Leben eine so merkwürdige Wendung nehmen könnte. Was tat ich eigentlich hier? Wohin war ich unterwegs? Wer war ich denn, dass ich mich auf einen Kampf mit unbekannten Mächten einließ – unterstützt von einer streunenden Katze, einem grottenschlechten Drummer, einer Gartenschere und einem Ovomaltine trinkenden Nachwuchs-Galilei?
Und das alles nur, um ein Mädchen zu retten, das gar nicht gerettet werden wollte.
»Warte doch, dumme Katze!« Link rannte hinter Lucille her, die mittlerweile unsere Führerin war. Mal nach rechts, mal nach links trottend, lief sie vor uns her. So absurd es klingt, aber sie schien genau zu wissen, wo es langging. Im Gegensatz zu ihr hatte ich nicht die leiseste Ahnung.
Zwei Stunden später stand die Sonne immer noch am Himmel und mein mulmiges Gefühl hatte sich verstärkt. Liv und Link gingen vor mir her. Das war Livs Art, mir oder wenigstens der Situation, in der wir uns befanden, aus dem Weg zu gehen. Ich konnte es ihr nicht verübeln. Sie hatte meine Mutter gesehen und alles gehört, was Amma gesagt hatte. Sie wusste jetzt, was Lena für mich getan hatte und weshalb sie so unberechenbar und launisch war. Vordergründig hatte sich nichts verändert, aber die Umstände, die gestern noch galten, waren heute ganz andere. Zum zweiten Mal in diesem Sommer konnte mir ein Mädchen, das mir nicht gleichgültig war – dem ich nicht gleichgültig war –, nicht mehr in die Augen sehen.
Stattdessen schlug Liv ihre Zeit damit tot, Link britische Kraftausdrücke beizubringen und so zu tun, als lachte sie über seine Witze.
»Dein Zimmer ist grotty , dein Auto ist skanky , vielleicht sogar manky «, scherzte sie. »Man könnte auch sagen schmuddelig, dreckig und versifft.« Sie lächelte, aber ich konnte sehen, dass sie in Gedanken ganz woanders war.
»Woher willst du das wissen?«, protestierte Link.
»Ich muss dich nur anschauen«, erwiderte Liv geistesabwesend. Link aufzuziehen, war keine echte Herausforderung für sie.
»Und was ist mit mir?« Link fuhr sich mit der Hand durch die Haare, damit sie auch ja richtig abstanden.
»Mal sehen. Du bist ein git oder ein prat .« Wieder rang sich Liv ein Lächeln ab.
»Und das sind richtig gute Schimpfwörter?«
»Klar. Die besten.«
Der gute alte Link. Mit seinem berüchtigten charmefreien Charme konnte er jede noch so verfahrene Situation retten.
»Habt ihr das gehört?« Liv war unvermittelt stehen geblieben.
Wenn ich in letzter Zeit ein Lied hörte, dann war ich meistens der Einzige, und dann war es Lenas Lied. Aber diesmal hörten es auch die anderen und es hatte absolut nichts von dem hypnotischen Klang von Seventeen Moons . Es klang schlimm, wie das Heulen eines waidwunden Tiers. Lucille standen die Haare zu Berge und sie miaute laut.
Link sah sich um. »Was ist das?«
»Ich weiß es nicht. Es klingt beinahe wie …« Ich hielt inne und lauschte.
»Wie jemand, der in
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